Aktuelle Datenanalyse
Herzinfarkt – seltener in der Schlossallee
In sozial schwachen Bremer Stadtteilen sind zum Teil doppelt so viele Menschen von Herzinfarkt betroffen wie in begüterten Teilen der Stadt.
Veröffentlicht:BREMEN. Wer in sozial benachteiligten Stadtteilen Bremens lebt, erleidet häufiger einen Herzinfarkt als Bewohner der wohlhabenden Stadtteile. Das ergab eine Datenanalyse des Bremer Instituts für Herz- und Kreislaufforschung (BIHKF) der Stiftung Bremer Herzen am Klinikum Links der Weser und des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS). Aber auf die Versorgung schlägt der soziale Status der Patienten nicht durch, ergab die Studie.
In den ehemaligen Arbeiter-Stadtteilen am Hafen, wie Gröpelingen oder im Hochhaus-Viertel Tenever sind zum Teil doppelt so viele Menschen von Herzinfarkten betroffen, wie in den Villen-Vierteln der Stadt, Schwachhausen oder Borgfeld.
Bereits 1993 hat der Senat erstmals einen eigenen sozialen Benachteiligungsindex aus mehr als 20 Sozialindikatoren für die Bremer Ortsteile entwickelt und zuletzt 2009 aktualisiert. In die Berechnung flossen etwa Schulabschlüsse, Wahlbeteiligung und Arbeitslosenziffer ein. Wie sich zeigte, lag der Index in den Arbeitervierteln deutlich niedriger als in den Villen-Vierteln.
Die Autoren der Studie führten die Benachteiligungsindizes mit den Daten aus dem Bremer STEMI-Register des Herzzentrums am Klinikum Links der Weser (LdW) zusammen. Das Register dokumentiert die Behandlungsdaten aller Bremer, die seit 2006 einen ST-Hebungsinfarkt hatten. "Zwischen Januar 2006 und Dezember 2015 haben insgesamt 3462 Bremer erstmals einen STEMI erlitten. Davon waren 71 Prozent Männer, 44 Prozent der Betroffenen waren aktive Raucher, 21 Prozent hatten Diabetes und 23 Prozent waren fettleibig", sagt Dr. Johannes Schmucker vom BIHKF am Klinikum LdW. Er ist neben Dr. Susanne Seide einer der Erstautoren der Studie.
Anhand der Wohnorte konnten die Forscher diese Patienten den verschiedenen Benachteiligungsindizes zuordnen und "einen ausgeprägten soziale Gradienten nachweisen", so Schmucker. Alle Patienten wurden je einer von vier Index-Gruppen zugeteilt – von Gruppe eins mit hohem sozialen Status bis Gruppe vier mit niedrigem sozialen Status. Die anschließende Analyse ergab: "Am stärksten ausgeprägt ist der Gradient bei jüngeren Patienten unter 50 Jahren. Dort ist die Häufigkeit von Infarkten in Gruppe vier im Vergleich zur Gruppe eins mehr als zweifach erhöht – mit fast identischen Werten für Frauen und Männer", sagt Schmucker. "Die Zahl der Infarkte pro 100.000 Personenjahre ist hier höher." Ein Grund dafür könnten Risikofaktoren sein. So waren die Betroffenen der Gruppe vier häufiger aktive Raucher und/oder stark übergewichtig. Das soziale Gefälle zeigt sich auch bei den langfristigen Überlebensprognosen. So ist das Sterberisiko für Patienten unter 50 Jahren aus der Gruppe vier in den folgenden fünf Jahren nach dem Infarkt fast sechs Mal höher als bei Angehörigen der Gruppe eins. Ähnliches zeigt sich beim Risiko für Komplikationen, das in den fünf Jahren nach dem Infarkt fast fünf-fach höher liegt.
Im Gegensatz zur Erkrankungsrate und zum Sterberisiko fanden die Forscher bei der Versorgung der Patienten unterschiedlicher Gruppen kein Gefälle. Bei der Art und Qualität der Klinikbehandlung – etwa der Dauer zwischen Infarkt, Eintreffen des Patienten und dem Beginn der Ballondilatation – wirkt sich der soziale Status der Patienten in Bremen nicht aus.