Alternativmedizin

Ruf nach konsequentem Patientenschutz

Wissenschaftler fordern vom Gesetzgeber strengere Auflagen für Heilpraktiker – auch im Sinne der höheren Patientensicherheit.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Schröpfkur für Patient und Geldbeutel? Heilpraktikerangebote sind bei Ärzten umstritten.

Schröpfkur für Patient und Geldbeutel? Heilpraktikerangebote sind bei Ärzten umstritten.

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MÜNSTER. Werden angehende Ärzte nach den hohen Standards der wissenschaftsorientierten Medizin ausgebildet, so sind die gesetzlichen Hürden für angehende Heilpraktiker sehr niedrig und verlangen keinerlei wissenschaftlich fundierte, standardisierte oder kontrollierte Ausbildung. Letzteres ist der Medizinethikerin Professor Bettina Schöne-Seifert von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster schon seit Langem ein Dorn im Auge. Zusammen mit 16 anderen Kritikern des Heilpraktikerwesens hat sie nun als "Münsteraner Kreis" einen flammenden Appell an den Gesetzgeber gerichtet, dem Wildwuchs aus "unangemessener Ausbildung und den meist unhaltbaren Krankheitskonzepten" ein Ende zu setzen.

Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber im Dezember 2016 mit dem Dritten Pflegestärkungsgesetz (PSG III) das Heilpraktikergesetz und die Erste Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz geändert hat, demzufolge bis Ende dieses Jahres unter Beteiligung der Länder einheitliche Leitlinien erarbeitet werden, auf deren Grundlage künftig die Kenntnisprüfung von Heilpraktikeranwärtern durchgeführt werden soll. Der Münsteraner Kreis hegt daran aber offensichtlich keine großen Erwartungen. "Diese begrenzte Novellierung des Heilpraktikergesetzes ändert allerdings nichts daran, dass sich angehende Heilpraktiker auf die verlangte Prüfung auch autodidaktisch vorbereiten können – ohne je einen Patienten zu sehen", steht dazu im Memorandum zu lesen.

Daher präsentieren die Wissenschaftler in ihrem Konzeptpapier mehrere Optionen mit dem Ziel, "die von Heilpraktikern ausgehenden Fehlbehandlungsrisiken zu minimieren, indem primär deren Befugnisse begrenzt würden", wie es in dem Memorandum heißt. Weiterer Ansatzpunkt ist die Kompetenzstärkung der Heilpraktiker.

Die Optionen im Überblick:

  • Beschränkungslösung: Diese Strategie würde darin münden, Heilpraktikern – gemessen am Status quo – weitere ärztliche Tätigkeiten zu verbieten. Das käme in letzter Konsequenz einem Aus des Geschäftsmodells Heilpraktiker gleich.
  • Arztzentrierte Lotsenlösung: Dieser Ansatz sieht vor, Heilpraktiker einer strikten ärztlichen Weisungsbindung zu unterwerfen. Nebenwirkung: "Die arztzentrierte Lotsenlösung würde den Heilpraktikern allerdings faktisch ihre Patienten entziehen, weil es aus Sicht der wissenschaftsorientierten Medizin keine Indikation für Verschreibungen von Alternativmedizin oder von kostenintensiven Plazebo-Therapien gibt", so die Kritiker. Unter Alternativmedizin verstehen diese die Gesamtheit der Verfahren, die in Konkurrenz zu Behandlungsverfahren der wissenschaftsorientierten Medizin angeboten werden.
  • Abschaffungslösung: Bei dieser Option würde der staatlich geschützte Beruf des Heilpraktikers annulliert werden. Als Vorbild sehen die Experten dabei die Neustrukturierung der bundesdeutschen Zahnheilkunde von 1952, im Zuge derer der Ausbildungsberuf "Dentist" (Zahntechniker mit nicht-akademischer Weiterbildung) zugunsten des akademisch ausgebildeten Zahnarztes abgeschafft worden ist. "Eine Streichung des Heilpraktikerberufs hätte den Vorteil, die bizarre Qualitätslücke in der Parallelstruktur aus qualitätsgesicherter ärztlicher Gesundheitsversorgung und bloß Gefahrenabwehr-kontrolliertem Heilpraktikerwesen nachhaltig zu schließen", frohlocken die Kritiker in ihrem Memorandum.
  • Kompetenzlösung: Vertretern der Ausbildungs-Gesundheitsfachberufe stünde die Möglichkeit offen, eine auf ihr originäres Tätigkeitsgebiet beschränktes, akademisches Programm zu durchlaufen, um dann den Titel des Fach-Heilpraktikers zu erwerben.

Bei den beiden letztgenannten Optionen bestünde die Herausforderung darin, dass bereits zugelassene Heilpraktiker noch für lange Übergangszeiten tätig wären. "Daher müssten sie zum Zweck des Patientenschutzes mit einer der beiden erstgenannten Lösungen kombiniert werden", folgern die Wissenschaftler – und betonen, dass ihnen dies langfristig zielführender als eine der ersten beiden Lösungen alleine erscheint.

Lesen Sie dazu auch: Münsteraner Kreis: Weg mit dem Heilpraktikerberuf!

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Kommentare
Rudolf Hege 22.08.201714:50 Uhr

Praxis wichtig

In der Tat ist es ein Mangel der aktuellen Heilpraktiker-Ausbildung (egal, wie dabei das theoretische Wissen erworben wird), dass ein Praktikum nicht zwingend vorgeschrieben ist. Nicht alle Anwärter, wenn auch viele, kommen aus medizinischen Berufen wie Pfleger oder Krankenschwester. Insofern wäre ein verbindliches Praktikum sicher eine sinnvolle Ergänzung der Anforderungen. Ob ein reguläres Studium dazu notwendig ist, ist dagegen fraglich. Immerhin umfasst die Medizin weitaus mehr Bereiche als die praktische Tätigkeit eines Heilpraktikers, der in der Regel weder forscht, noch operiert oder High-Tech-Geräte bedienen muss. Von einem Gärtner verlangt man auch kein Biologie-Studium.

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