Notfallmedizin

Herzinfarkt: Das Ende der routinemäßigen Sauerstoffgabe

Die Zufuhr von Sauerstoff ist bei Patienten mit Verdacht auf Herzinfarkt eine häufige Routinemaßnahme – auch dann, wenn keine Hypoxie besteht. Nach neuen Studiendaten kann darauf künftig wohl getrost verzichtet werden.

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:
Infarkt-Verdacht: Auch ohne Hypoxie gehört Sauerstoff bisher zum Standard bei Erstversorgung.

Infarkt-Verdacht: Auch ohne Hypoxie gehört Sauerstoff bisher zum Standard bei Erstversorgung.

© vera7388 - stock.adobe.com

BARCELONA. Wenn es bei Myokardischämie dem Herzmuskel an Sauerstoff mangelt, dann sollte dieses lebenswichtige Element besser rasch in größerer Menge zugeführt werden, war eine lange vorherrschende Meinung. Bei Infarktpatienten mit Hypoxie dürfte man damit richtig liegen. Doch sind inzwischen Zweifel aufgekommen, ob die Praxis der routinemäßigen Anwendung von Sauerstoff auch bei Normoxie zum Nutzen der Infarktpatienten ist.

Die Zweifler haben recht. Nach den Ergebnissen der jetzt beim Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) vorgestellten und simultan im "New England Journal of Medicine" publizierten DETO2X-AMI-Studie wird die Überlebensrate von normoxämischen Patienten mit Verdacht auf akuten Myokardinfarkt durch Supplementierung von Sauerstoff nicht verbessert (NEJM 2017; online 28. August). Auch auf Reinfarkte und die anhand von Biomarkern (Troponine) objektivierbare Myokardschädigung hatte diese Behandlung keinen Einfluss.

In die randomisierte Studie sind an allen 69 Kliniken mit Einrichtungen für die kardiale Akutversorgung in Schweden 6229 Patienten mit Anzeichen für einen möglichen akuten Herzinfarkt und einer gemessenen Sauerstoffsättigung im Blut von > 90 Prozent aufgenommen worden. Eine Hälfte bekam über eine Atemmaske im Median knapp zwölf Stunden lang Sauerstoff zugeführt, die andere Hälfte atmete als Kontrollgruppe nur Raumluft ohne Maske ein. Am Ende dieser Phase betrug die Sauerstoffsättigung in den Gruppen mit und ohne Sauerstoffgabe 99 Prozent respektive 97 Prozent.

Kein Einfluss auf die Mortalitätsraten

Nach einem Jahr waren die Mortalitätsraten (primärer Endpunkt) mit 5,0 Prozent (Sauerstoff-Gruppe) und 5,1 Prozent (Kontrollgruppe) nahezu identisch.

Die Raten für die in dieser Zeit registrierten erneuten Klinikeinweisungen wegen Herzinfarkt waren ebenfalls kaum unterschiedlich (3,8 vs. 3,3 Prozent). Und auch beim gezielten Blick in diverse Subgruppen von Hochrisikopatienten wie Raucher, ältere Patienten sowie Patienten mit Diabetes oder vorbestehender Herzerkrankung waren keine Unterschiede bezüglich der Sterberisikos auszumachen.

Zuvor durch kleinere Studien wie AVOID genährte Bedenken, dass sich die Sauerstoffgabe nachteilig auf das Herz auswirken könnte, werden durch die um ein Vielfaches größere DETO2X-AMI-Studie nicht bestätigt.

"Die Studie wird wahrscheinlich unmittelbare Auswirkungen auf die Praxis und künftige Leitlinien haben", prognostiziert Studienautor Professor Stefan James, Kardiologe an der Universität Uppsala, in einer ESC-Pressemitteilung.

Mehr Informationen zur Kardiologie: www.springermedizin.de

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