MedTech trotzt Ebola, Ukraine-Krise und Investitionsstau
Die deutsche Medizintechnikbranche will dieses Jahr erstmals die magische Marke von 25 Milliarden Euro Gesamtumsatz knacken.
Veröffentlicht:DÜSSELDORF. Auch wenn sich das Wachstum zurzeit etwas abschwächt, sehen die deutschen Medizintechnik-Unternehmen mittel- und langfristig gute Perspektiven.
Die demografische Entwicklung und der Nachholbedarf in vielen Schwellenländern werden wieder für Zuwächse sorgen, sagte Marcus Kuhlmann, Leiter des Fachverbands Medizintechnik im Deutschen Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien Spectaris, anlässlich der Medizinmesse Medica. "Die deutschen Hersteller bieten hochwertige Produkte und gute Services an und sind für den schärfer werdenden internationalen Wettbewerb gut aufgestellt."
Er rechnet für das laufende Jahr mit einem Marktwachstum von 1,6 Prozent bei den 1200 Herstellern, nach 2,3 Prozent im Vorjahr. In der zweiten Jahreshälfte habe die Wachstumsdynamik merklich nachgelassen, berichtete Kuhlmann.
Zuwächse im Inland
Dennoch: "Wir werden erstmals die magische Marke von 25 Milliarden Euro Gesamtumsatz überschreiten." Davon stammen acht Milliarden Euro aus dem Inland, das ist ein Zuwachs um 1,3 Prozent. Das Ausland legt mit 1,8 Prozent auf 17 Milliarden Euro zu.
In der zweiten Jahreshälfte bekam die deutsche Medtech-Industrie die Auswirkungen der von Russland verhängten Sanktionen zu spüren, berichtete Kuhlmann. "Die Hersteller bemerken, dass bei Ausschreibungen russische Unternehmen den Vorzug erhalten und deutsche Unternehmen nicht mehr zum Zuge kommen."
Negativ machten sich auch die verschärften Konflikte im Nahen und Mittleren Osten bemerkbar sowie die Ebola-Epidemie in einigen afrikanischen Ländern. Afrika sei ein Wachstumsmarkt, aber in den betroffenen Ländern seien die Geschäfte quasi zum Erliegen gekommen.
Im Heimatmarkt macht den Unternehmen nach wie vor der Investitionsstau in den Krankenhäusern zu schaffen. Hinzu kommt der Trend zu immer niedrigeren Erstattungspreisen bei Hilfsmitteln, sagte Kuhlmann. Das sei ein Riesenproblem. "Ausschreibungen laufen fast nur noch über Preise, die Dienstleistungen fallen hintenüber und die Qualität spielt fast gar keine Rolle mehr", kritisierte er.
Gefahr durch neue EU-Verordnung
Gefahr drohe der Branche durch die neue EU-Medizinprodukte-Verordnung, betonte Hans-Peter Bursig, Geschäftsführer des Fachverbandes Elektromedizinische Technik im Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie ZVEI.
Ohne sachlichen Grund würden die Zulassungsverfahren aufwändiger und komplizierter und die Unternehmen mit riesigen Dokumentationspflichten belastet. "Wir haben keinen dringenden Bedarf, die Sicherheit zu erhöhen." Das EU-Zulassungssystem gehöre bereits zu den sichersten weltweit.
Auch was im Referentenentwurf zum Versorgungsstärkungsgesetz zur Nutzenbewertung für Medizinprodukte steht, stößt bei Bursig auf wenig Gegenliebe. Das für die Bewertung von Arzneimitteln entwickelte Instrumentarium könne nicht einfach übertragen werden, sagte er. "Mit klinischen Prüfungen über zehn Jahre kann ich nicht an Medizinprodukte herangehen."
Das würde das Ende der Innovationen in diesem Sektor bedeuten, warnte der Branchenvertreter. Wenn für jedes neue Produkt Studien notwendig werden, würden angesichts der langen Laufzeiten und der hohen Prüfkosten Unternehmen pleitegehen oder die Zahl der Neuentwicklungen beschränken. "Man muss andere Instrumente und Wege entwickeln", forderte Bursig. Konkrete Vorschläge hatte er nicht parat.