Medica
Ultraschall ist jetzt bunt und scharf
Im Schatten der Großgerätediagnostik hat sich der medizinische Ultraschall technisch enorm weiterentwickelt. Wie genau, ist ab heute auf der Medica in Düsseldorf zu sehen.
Veröffentlicht:DÜSSELDORF. Schneetreiben war gestern. Wer bei der Medica 2014 in Düsseldorf die Stände der Hersteller von Ultraschallgeräten besucht, wird keine krisseligen Schwarz-Weiß-Bilder auf viel zu kleinen Monitoren zu Gesicht bekommen. Nein, moderne Ultraschallbilder im Jahr 2014 sind rasiermesserscharf und zunehmend bunt.
"Was die Detailtreue der Darstellung angeht, sind wir mit modernen Ultraschallgeräten allen anderen Schnittbildverfahren deutlich voraus. Eine reale Auflösung von weniger als einem Millimeter erreicht kein anderes Verfahren", sagt Professor Andreas Schuler, Ärztlicher Direktor der Medizinischen Klinik der Alb Fils Kliniken Göppingen.
Es ist aber nicht nur die Auflösung des klassischen B-Bilds, die sich immer weiter verbessert. Lange Zeit eher experimentelle Erweiterungen wie der Einsatz von Kontrastmitteln und die Elastografie sind heute im Mainstream angekommen und werden bei entsprechend vielen Indikationen evaluiert (wir berichteten).
Rückschlüsse auf Histologie
Beispiel Kontrastmittel-Ultraschall, auch Contrast Enhanced Ultrasound oder kurz CEUS genannt: Das klassische Einsatzgebiet dieses Verfahrens ist die Unterscheidung zwischen gutartigen und bösartigen primären Lebertumoren.
Doch das ist längst nicht mehr alles: "Mittlerweile gehen wir mit dem Ultraschall bereits in die Untereinheiten von Tumorklassifikationen. Dazu berechnen Quantifizierungsprogramme die zeitlichen Kinetiken des Kontrastmittelflusses. Das erlaubt Rückschlüsse auf die spezifischen Durchblutungscharakteristika und damit sogar Histologie einer Läsion", so Schuler.
Auch in der Metastasensuche im Rahmen des ersten Stagings von Patienten mit Dickdarmkrebs wird der Ultraschall zunehmend evaluiert. Zusammen mit Kollegen hat Schuler hier gerade eine Studie beendet, die in Kürze veröffentlicht werden soll: "Kurz gesagt können wir zeigen, dass wir im Kontrastmittel-Ultraschall Tumorherde sehen, die im konventionellen B-Bild und teilweise sogar im CT noch gar nicht zu sehen sind."
Kontrastmittel eröffnet neue Möglichkeiten
Ein neues Feld öffnet sich dem Kontrastmittel-Ultraschall derzeit bei interventionellen Eingriffen: "Mit Hilfe von Kontrastmittel können wir viel gezielter jene Areale punktieren, in denen der Tumor gut durchblutet und damit aktiv ist. Das erhöht die Treffsicherheit bei Biopsien", so Schuler.
Ähnlich hilfreich ist das Kontrastmittel bei der Steuerung von Radiofrequenzablationen (RFA) oder transarteriellen Chemoembolisationen (TACE): "Hier gibt uns die Durchblutung in den Randbereichen Auskunft darüber, ob ein Eingriff ausreichend war oder ob nachgebessert werden muss."
Viel simpler, aber nicht weniger nützlich ist der Einsatz von Ultraschallkontrastmitteln im Rahmen der Abszessdrainage. Dabei wird traditionell Röntgenkontrastmittel genutzt, um die genaue Geografie einer Abszesshöhle darzustellen. Der Kontrastmittel-Ultraschall schafft diese Kartografierung ganz ohne Strahlenbelastung. Patientenfreundlicher geht es nicht.
Erstattungsdiskussion lebt wieder auf
Noch immer nur teilweise geregelt ist die Erstattung von Untersuchungen mit Kontrastmittel-Ultraschall. Ärzte können hier lediglich eine ganz normale Sonographie geltend machen, zuzüglich der Kosten für das Kontrastmittel. "Eine eigene Abrechnungsziffer gibt es dagegen nicht. Angesichts des doch deutlich größeren Aufwands wäre das aber gerechtfertigt", so Schuler.
Über die Abrechnung der Sonografie diskutiert wird derzeit auch an ganz anderer Stelle, nämlich beim pränatalen Ultraschall, konkret beim Ersttrimester-Screening, das der Suche nach Fehlbildungen und Chromosomenstörungen dient.
Es handelt sich um eine hoch auflösende Ultraschalluntersuchung plus Bestimmung von beta-HCG und PAPP-A im mütterlichen Serum. Bisher ist das eine Selbstzahlerleistung, für die die meisten Gynäkologen zwischen 100 und 300 Euro veranschlagen.
Nun gibt es seit Kurzem den Test auf freie plazentare DNA, der eine Trisomie 21 zu 99 Prozent erkennt, bei einer Rate an falsch positiven Befunden von lediglich 0,1 Prozent. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) will jetzt in einer Erprobungsstudie evaluieren, ob diese als IGeL derzeit 600 bis 900 Euro teure Untersuchung künftig unter bestimmten Umständen eine Regelleistung werden könnte.
Wird IGeL-Angebot obsolet?
Sollte es so kommen, könnte das Auswirkungen auf die Ultraschalldiagnostik haben. Eltern könnten sich fragen, warum sie Geld für ein Ersttrimester-Screening auf den Tisch legen sollen, wenn doch der Bluttest auf Chromosomenaberrationen regulär erstattet wird.
Aus Sicht der Ultraschallexperten wäre das eine fatale Entwicklung: "Der neue Bluttest ist ein sehr guter Test. Aber lediglich zehn Prozent aller vorgeburtlichen Fehlbildungen werden durch die damit untersuchten Chromosomenstörungen verursacht", betont Professor Karl Oliver Kagan vom Universitätsklinikum Tübingen.
Der Ultraschall dagegen gibt auch Informationen über Fehlbildungen des Herzens, des Gehirns und des Gastrointestinaltrakts. Zudem lassen sich Wachstumsretardierungen, eine Präeklampsie und - mit Einschränkungen - eine drohende Frühgeburtlichkeit erkennen.
Ausweitung der GBA-Erprobungsstudie gefordert
Die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) und mit ihr viele Gynäkologen plädieren deswegen für eine Ausweitung der GBA-Erprobungsstudie in Richtung eines so genannten "Next Generation Screening".
Der erste Schritt wäre bei diesem Modell eine Untersuchung mit Ultraschall sowie eine Bestimmung von beta-HCG und PAPP-A. Bei hohem Risiko für Chromosomenstörungen wäre danach eine Fruchtwasseruntersuchung indiziert. Der Bluttest auf zellfreie DNA bliebe Frauen mit mittlerem Risiko vorbehalten. Dadurch würde ein gewisser Anteil der zwei- bis dreimal teureren Labortests wegfallen, sodass das Screening trotz umfangreicher Methodiken kosteneffizient wäre.
Nun sind Kostenkalkulationen bei diagnostischen Algorithmen immer so eine Sache. Sie hängen stark davon ab, welches Grundkollektiv betrachtet wird und wie Risikogruppen genau definiert werden. Das gibt Stoff für Diskussionen, nicht nur, aber auch bei der diesjährigen Auflage der weltgrößten Medizinmesse Medica.