Weltgesundheitsorganisation
Afrika frei von Polio-Wildvirus
Seit vier Jahren wurden in der Afrika-Region der WHO keine Infektionen mit dem Wildtyp-Poliovirus mehr gemeldet. Gebannt ist die Gefahr damit aber noch nicht.
Veröffentlicht:Brazzaville. In allen 47 Ländern der Afrika-Region der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gilt das Wildtyp-Poliovirus als ausgerottet. Die Region wurde damit als frei von Wildtyp-Poliovirus deklariert, wie die unabhängige Organisation Africa Regional Certification Commission (ARCC) mitteilt.
„Seit vier Jahren wurde hier kein einziger Fall einer Infektion mit dem Wildtyp-Poliovirus gemeldet“, wird ARCC-Vorsitzende Professor Rose Gana Fomban Leke in einer Mitteilung der WHO zitiert. Dies sei ein historischer Erfolg; im Jahr 1996 etwa führte die Infektion in Afrika noch bei 75.000 Kinder jährlich zu Lähmungen. Mit dem Polio-Wildtypvirus sei nun das zweite Virus von dem Kontinent verschwunden: „Vor 40 Jahren wurde das Pockenvirus ausgerottet.“
Impfkampagnen wegen Corona-Pandemie unterbrochen
Dennoch müsse man nun wachsam bleiben und an Impfkampagnen festhalten, um ein Wiederaufflammen des Wildtyp-Poliovirus zu verhindern, betonte Dr. Matshidiso Moeti, WHO-Generaldirektor für die Region Afrika. In Pakistan und Afghanistan zirkuliert das Wildtyp-Poliovirus weiterhin – das sind allerdings die einzigen beiden Länder weltweit, was den Erfolg der 1988 initiierten „Global Polio Eradication Initiative“ verdeutlicht: Die Zahl der weltweiten Polio-Fälle hat seit 1988 um 99,9 Prozent abgenommen.
Allerdings sind durch die Corona-Pandemie weltweit Impfkampagnen ausgefallen. Bis zu 80 Millionen Kinder unter einem Jahr sollen davon betroffen sein. Besonders Impfkampagnen gegen Masern und Polio konnten Angaben von Hilfsorganisationen zufolge nicht aufrechterhalten werden: Masern-Impfungen seien in 27 Ländern ausgesetzt worden, Polio-Impfungen sogar in 38 Staaten.
Bedrohung durch Impfstoff-abgeleitete Polioviren
„Außerdem müssen wir die noch immer bestehende Bedrohung durch Impfstoff-abgeleitete Polioviren (vaccine-derived poliovirus, cVDPV) angehen“, so Moeti. Diese entstehen, wenn die Bevölkerung aufgrund zu niedriger Polio-Impfquoten nicht ausreichend geschützt ist. Die Impfviren können dann über einen längeren Zeitraum zirkulieren und sich dabei genetisch verändern. Je länger sie zirkulieren, umso größer ist die Gefahr, dass cVDPV auftreten, die nach Infektion eine symptomatische Erkrankung hervorrufen können.
Derzeit gebe es in 16 Ländern der Afrika-Region der WHO cVDPV2-Ausbrüche, etwa in Angola, Äthiopien, Ghana und der Demokratischen Republik Kongo, berichtet die WHO in ihrer Mitteilung.
Im Rahmen der globalen „Polio Endgame Strategy“ der WHO soll oraler Polio-Impfstoff (OPV) daher weltweit in allen Nationalen Impfprogrammen durch inaktivierte Polio-Impfstoffe (IPV) ersetzt werden, bei denen die Entstehung von cVDPV ausgeschlossen ist. In Deutschland wird bereits seit 1998 auf Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) ausschließlich IPV zur Polio-Impfung verwendet.