Bakterielle Zystitis
Antibiotika sind nicht die erste Wahl!
Beim Umgang mit unkomplizierten Harnwegsinfektionen kommt es auf die richtigen Instrumente an – diagnostisch wie therapeutisch. Antibiotika zuletzt, lautet die Devise.
Veröffentlicht:Antibiotika wann immer es geht vermeiden – unter diesem Aspekt sind die Empfehlungen zum Umgang mit ambulant erworbenen, unkomplizierten, bakteriellen Harnwegsinfektionen (HWI) bei Erwachsenen in diesem Jahr aktualisiert worden. Die antibiotische Therapie übe einen enormen Selektionsdruck aus, sowohl auf die an der Infektion beteiligten Bakterien als auch auf die kollaterale Flora, warnen eindringlich Dr. Jennifer Kranz aus Eschweiler und Kollegen in einer zusammenfassenden Darstellung der aktualisierten S3-Leitlinie (Urologe 2017; 56: 746-758). "Ein umsichtiger Umgang mit Antibiotika in diesem Bereich ist deswegen von außerordentlichem Interesse", heißt es dort. Nur so könne auf lange Zeit die Nachhaltigkeit der antibiotischen Therapie gesichert werden.
Klinisches Bild entscheidend
Was heißt das konkret? Erstens: Eine "asymptomatische HWI" gibt es nicht. Unterschieden werden die klinisch symptomatische HWI und die asymptomatische Bakteriurie. Letzteres bedeutet, dass eine Kolonisation vorliegt, nicht aber eine Infektion. Konsequenterweise raten die Leitlinienautoren unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) ausdrücklich von einem systematischen Screening auf die asymptomatische Bakteriurie ab, egal ob es sich um junge Frauen handelt, um Schwangere, Frauen in der Postmenopause, junge Männer oder um Diabetes-Patienten. Entscheidend für das einzusetzende diagnostische Instrumentarium ist das sich bietende klinische Bild.
Zweitens: Bei akuter unkomplizierter Zystitis ist keine Urinkultur erforderlich. Die Diagnose kann mit einer symptombezogenen Untersuchung sowie mit Hilfe des validierten Fragebogens ACSS (Acute Cystitis Symptom Score) "mit hoher Sicherheit" gestellt werden. Die revidierte deutsche Version des Bogens mit 14 Fragen ist im Internet frei verfügbar (Urologe 2017; 56: 364-366).
Gesondertes Vorgehen bei Männern
Eine Ausnahme sind junge Männer mit HWI. Bei ihnen ist die Diagnose "unkomplizierte HWI" nur bei Ausschluss komplizierender Faktoren zulässig. Die Diagnose schließt bei ihnen die Bestätigung durch eine Bakterienkultur ein. Bei akuter unkomplizierter Pyelonephritis wird ebenfalls die Urinuntersuchung einschließlich Kultur empfohlen. Ähnliches gilt bei rezidivierenden HWI, also wenn mindestens zwei Episoden innerhalb von sechs Monaten oder mindestens drei Episoden innerhalb eines Jahres auftreten.
Immunprophylaxe vor Antibiose
Drittens: Gerade, weil sich bei Erregern unkomplizierter Harnwegsinfektionen das Resistenzniveau in den vergangenen Jahren signifikant erhöht hat, muss das therapeutische Konsequenzen haben. Unkomplizierte HWI bei nicht-schwangeren, prämenopausalen Frauen ohne relevante Begleiterkrankungen heilen in zu 30 bis 50 Prozent spontan innerhalb einer Woche. Zwar kann das mit Antibiotika beschleunigt werden. Aus langfristiger Perspektive ist das aber keine gute Idee. Ratsam ist dagegen die fundierte Hygiene- und Sexualberatung sowie die Prüfung der täglichen Trinkmenge und der Miktionsgewohnheiten.
Dies ist zugleich die erste Maßnahme, um rezidivierenden Harnwegsinfektionen vorzubeugen. Bevor solchen Frauen eine antibiotische Langzeitprävention angeboten wird, soll laut Leitlinie ein dreimonatiger Versuch mit dem Immunprophylaktikum Uro-Vaxom® oral vorgenommen werden. Eine weitere Option sind parenterale wöchentliche Injektionen mit StroVac®. Darüber hinaus empfehlen die Leitlinienautoren Mannose oder als Alternative Phytotherapeutika wie Präparate aus Bärentraubenblättern, Kapuzinerkresse und Meerrettichwurzel.