Seltene Syndrome

App erkennt seltene Erbkrankheiten am Gesicht

Per kostenloser Smartphone-App können Kinderärzte jetzt schneller einem Verdacht auf ein seltenes genetisches Syndrom nachgehen: Face2Gene will Ärzten mit 150.000 Datensätzen helfen.

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Face2Gene prüft Gesichtsmerkmale auf Anzeichen für seltene Krankheiten – und gibt die jeweilige Wahrscheinlichkeit als Zahl zurück.

Face2Gene prüft Gesichtsmerkmale auf Anzeichen für seltene Krankheiten – und gibt die jeweilige Wahrscheinlichkeit als Zahl zurück.

© FDNA (Screenshot)

BOSTON. Zwar sind einzelne genetischen Syndrome jeweils äußerst selten, zusammengenommen treten verschiedenste DNA-Variationen aber bei bis zu acht Prozent der Bevölkerung auf. Etliche von ihnen gehen mit geistigen Beeinträchtigungen einher, die bereits im Kleinkindalter auffallen.

Eine zeitnahe Diagnose kann für die Prognose wichtig sein. Doch die betroffenen Kinder absolvieren oft eine Odyssee, bis endlich aufwendige und teure Genanalysen die richtige Diagnose enthüllen.

Die Tatsache, dass sich viele Syndrome durch typische Merkmale im Gesicht auszeichnen, hat ein Team um Yaron Gurovich aus Boston jetzt genutzt und zusammen mit deutschen und israelischen Wissenschaftlern ein Verfahren zur Portraitbildanalyse entwickelt (Nat Med 2019; 25: 60-64).

DeepGestalt scannt das Gesicht auf Auffälligkeiten

Was bislang nur sehr wenigen Experten vorbehalten war, soll nun künstliche Intelligenz lösen. Mithilfe der Smartphone-App Face2Gene können Pädiater bei Kindern mit auffälliger Gesichtsform die diagnostische Breite im Vorfeld spezifischer Untersuchungen einengen. Die App ist für Ärzte kostenfrei erhältlich.

 Unter Anwendung einer Software namens DeepGestalt genügt ein Portraitfoto des Patienten, um mithilfe eines „Deep-learning“-Algorithmus charakteristische Auffälligkeiten etwa der Augen, beim Abstand der Brauen oder der Mund- und Kinnform zu erkennen. Mithilfe der Software wird schließlich eine Top-10-Liste der Verdachtsdiagnosen erstellt. Zuweilen gelingt sogar ein direkter Treffer.

Trainiert wurde das System zuvor unter anderem mit einem Datensatz von über 17.000 Bildern, auf denen Kinder mit 216 verschiedenen Syndromen abgebildet waren. Letztlich erreichte DeepGestalt zum Beispiel bei der Identifizierung des Cornelia-de-Lange-Syndroms eine Diagnosegenauigkeit von 97 Prozent, beim Angelman-Syndrom von 92 Prozent.

Beim Vergleich von 502 verschiedenen Bildern kam das System auf eine Top-10-Genauigkeit von 90 Prozent. In 65 Prozent der Fälle traf die Diagnose zu, die das Programm an erster Stelle als die wahrscheinlichste ausspielte. Im direkten Vergleich zu klinischen Genetikern, die einen Diagnosevorschlag zu bestimmten Syndromen abgaben, hat die Software ihre Überlegenheit bereits experimentell unter Beweis gestellt.

150.000 Fotos in Datenbank

Derzeit enthält die Datenbank etwa 150.000 Fotos und wird von Ärzten sowohl als eine Art „zweite Meinung“ als auch als Hilfestellung und Ausgangspunkt genutzt, wenn Ratlosigkeit hinsichtlich der Symptome besteht, so die Koautorin der Publikation Dr. Karen Gripp. Per künstlicher Intelligenz über die Face2Gene-App kann die Zahl der infrage kommenden Diagnosen erheblich eingeengt und dann mit einem gezielten DNA-Test bestätigt werden.

Dies spart nicht nur viel Zeit, sondern auch Geld. Dr. Paul Kruszka vom US National Human Genome Research Institute in Bethesda geht davon aus, dass Pädiater und Genetiker die App künftig so selbstverständlich nutzen werden wie ihr Stethoskop. (st)

App-Download: www.face2gene.com/startclinic

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