Cholesterinsenkung

Beste Prognose bei sehr niedrigen LDL-Werten

Die Diskussion darüber, wie tief das Cholesterin zwecks Vorbeugung kardiovaskulärer Erkrankungen gesenkt werden sollte, erhält durch eine Metaanalyse neue Nahrung. Danach scheint sich auch eine Reduktion des LDL-Cholesterins auf sehr niedrige Werte klinisch auszuzahlen.

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NEU-ISENBURG. Über das Thema Cholesterinsenkung ist in jüngster Zeit ausgiebig und kontrovers diskutiert worden. Grund dafür war vor allem ein jüngst in den USA vorgenommener "Paradigmenwechsel" in der lipidsenkenden Therapie.

Wie in Europa galt auch dort bis vor Kurzem das Prinzip, als Maßgabe für die cholesterinsenkende Therapie das Erreichen bestimmter LDL-Zielwerte zu empfehlen: Je höher das kardiovaskuläre Risiko, desto niedriger der individuelle LDL-Zielwert.

US-Leitlinien: Abkehr vom Konzept der Lipidzielwerte

Die Strategie der Ausrichtung an Zielwerten haben die beiden Fachgesellschaften American Heart Association (AHA) und American College of Cardiology (ACC) jedoch aus ihren im November 2013 vorgestellten neuen Leitlinien endgültig verbannt.

Die aktualisierten US-Guidelines erheben statt dessen das Konzept der "festen Dosis" zum Standard. Begründet wird dies mit mangelnder Evidenz für das Zielwerte-Konzept: In den als Evidenzbasis dienenden klinischen Studien seien die Statine in der Regel in fixer Dosierung verabreicht worden.

Auch die neuen US-Leitlinien unterstellen, dass es je nach kardiovaskulärem Risiko auf das erreichte Ausmaß der Cholesterinsenkung ankommt. Maßgeblich dafür ist aber nicht mehr ein definierter Zielwert, sondern die von der Statin-Dosis abhängige prozentuale Senkung des LDL-Cholesterins.

Von der "hochintensiven" Statintherapie wird eine LDL-Reduktion um mindestens 50 Prozent erwartet, eine Therapie von moderater Intensität sollte den LDL-Cholesterinspiegel um 30 bis 50 Prozent verringern.

Die Abkehr vom Prinzip am Risiko bemessener LDL-Zielwerte stieß nicht überall auf Zustimmung. So sehen etwa europäische Fachgesellschaften gute Gründe dafür, weiterhin am Konzept der zielwertbasierten Lipidtherapie festzuhalten.

Metaanalyse von Daten aus acht Statinstudien

Vor diesem Hintergrund präsentiert eine internationale Autorengruppe nun eine Metaanalyse, in der unter anderem untersucht worden ist, in welcher Beziehung sehr niedrige LDL-Cholesterinwerte unter einer Statintherapie zur Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse stehen (J Am Coll Cardiol. 2014; 64: 485-494).

Die Gruppe um Dr. John Kastelein aus Amsterdam hat dafür individuelle Patientendaten aus acht randomisierten kontrollierten Studien herangezogen, in denen 38 153 Teilnehmer eine Therapie mit Statinen erhalten hatten.

Im Zeitraum dieser Studien waren bei 5287 Teilnehmern (14,1 Prozent) insgesamt 6286 kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall aufgetreten.

Die durch Lipidsenkung mit Statinen erreichten LDL-Werte zeigten eine hohe interindividuelle Variabilität. Unter hochdosierter Statin-therapie lagen die LDL-Werte bei mehr als 40 Prozent aller so behandelten Patienten (n = 18 677) über dem Zielwert von 70 mg/dl, knapp 13 Prozent blieben mit ihren Werten über dem Zielwert von 100 mg/dl.

"Lower is better" wurde in der Analyse erneut bestätigt

Die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse war umso niedriger, je niedriger der erreichte LDL-Cholesterinwert war. Die auf das LDL-Cholesterin gemünzte Gleichung "lower is better" scheint demnach aufzugehen.

Am niedrigsten war die jährliche Rate kardiovaskulärer Ereignisse mit 4,4 Prozent in der Gruppe der Patienten (11 Prozent), deren LDL-Werte im Bereich unter 50 mg/dl lagen, LDL-Werte im höheren Bereich (50-74 mg/dl) waren mit einer Ereignisrate von 11,4 Prozent assoziiert, noch höhere Werte (75-99 mg/dl) bereits mit einer Rate von 16,5 Prozent.

Relativ betrachtet hatten Patienten mit sehr niedrigen LDL-Werten unter 50 mg/dl ein signifikant um 19 Prozent geringeres Risiko als Patienten mit Werten zwischen 75 und 99 mg/dl.

Ein hieb- und stichfester Beweis, dass es klinisch von Vorteil ist, das LDL-Cholesterin generell auf sehr niedrige Werte zu senken, sind die Ergebnisse der Metaanalyse aber mitnichten. Dr. Ori Ben-Yehuda und Dr. Anthony DeMaria weisen in einem begleitenden Editorial auf einige Limitierungen hin.

Mit Ausnahme einer begrenzten Dosistitration in zwei Studien seien die Statine in allen berücksichtigten Studien in fixen Dosierungen verabreicht worden. Die unterschiedliche Höhe der erreichten LDL-Werte sei also nicht das Ergebnis einer auf das Erreichen individueller Zielwerte programmierten Strategie.

Nur bei einer Minderheit seien sehr niedrige LDL-Werte unter der Statintherapie erreicht worden. Warum gerade diese Patienten so gut angesprochen haben, könne viele Gründe haben - darunter auch solche, die selbst Einfluss auf die Prognose haben könnten. Ob das erreichte LDL-Cholesterin oder andere Gründe, die ein gutes Ansprechen auf die Therapie begünstigen, die Erklärung für das niedrige Risiko seien, bleibe unklar.

Sehr niedrige LDL-Werte bald leichter erreichbar?

Im Moment wäre es zudem völlig unrealistisch, LDL-Zielwerte von unter 50 mg/dl für breitere Patientenkreise zu empfehlen. Derart niedrige Werte sind, wie aus der Metaanalyse selbst hervorgeht, mit den verfügbaren Lipidsenkern nur bei einer kleinen Minderheit unter den Patienten zu erreichen.

Doch das könnte sich schon bald ändern. Neue Cholesterinsenker wie die PCSK9-Hemmer sind in der Entwicklung, mit denen sich das LDL-Cholesterin nach bisherigen Erfahrungen additiv zu Statinen relativ problemlos auf Werte unter 50 mg/dl senken lässt.

Von Ausgang laufender prospektiver Endpunkstudien zum klinischen Nutzen dieser neuen Therapien wird abhängen, ob die Zielvorgaben für die Cholesterinsenkung nach unter korrigiert werden müssen oder nicht.(ob)

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