„Hygia“-Studie

Blutdrucksenker lieber morgens oder abends nehmen?

Welcher Zeitpunkt ist der beste, um seinen täglichen Blutdrucksenker einzunehmen? Eine groß angelegte Studie mit 19.000 Teilnehmern liefert neue Hinweise.

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Ältere Frau misst ihren Blutdruck: Blutdrucksenker abends einzunehmen, scheint besser als morgens. Das hat eine spanische Studie ergeben.

Ältere Frau misst ihren Blutdruck: Blutdrucksenker abends einzunehmen, scheint besser als morgens. Das hat eine spanische Studie ergeben.

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Vigo. Viele Patienten mit Hypertonie nehmen ihre Medikamente morgens ein. Günstiger kann es einer aktuellen Analyse zufolge oft sein, sie abends vor dem Schlafengehen zu schlucken. Die erzielten Blutdruckwerte seien dann im Mittel besser, berichten die Forscher im „European Heart Journal“ (2019, online: 22.10.2019). In der Folge sank die Gefahr einer ernsthaften Folgeerkrankung demnach deutlich. Die Autoren empfehlen, den idealen Einnahme-Zeitpunkt über eine Langzeit-Blutdruckmessung zu bestimmen.

Ein spanisches Forscherteam um Ramón Hermida von der Universität Vigo untersuchte nun im Rahmen des Forschungsprojektes „Hygia“ an über vierzig medizinischen Zentren in Spanien, wann Antihypertensiva am besten eingenommen werden sollten. Andere Einflussfaktoren wie Alter, Diabetes, Nierenerkrankungen, Rauchen und Cholesterinwerte wurden herausgerechnet.

Über 19.000 Studienteilnehmer

Von den über 19.000 Studienteilnehmern mit Hypertonie nahmen die Hälfte die Medikamente abends, die übrigen nach dem Aufwachen ein. Im Mittel gut sechs Jahre lang überprüften Ärzte mindestens einmal im Jahr den Blutdruck der Probanden via Langzeitmessung über 48 Stunden.

Dabei zeigte sich, dass die Gruppe, die ihre Medikamente abends einnahm, bessere Werte erzielte. Der durchschnittliche Blutdruck tagsüber und nachts war in dieser Gruppe niedriger und die Werte fielen während des Schlafs stärker ab.

Die Forscher stellten zudem fest, dass die abendliche Medikamenteneinnahme im Mittel das Risiko ernsthafter Folgeerkrankungen minderte. Zu diesen zählen Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Herzinfarkte, Schlaganfälle und Revaskularisationen. 1752 Patienten der Studie erlitten ein solch schweres kardiovaskuläres Ereignis.

Konkret reduzierte die Einnahme zu Schlafenszeit das Risiko:

  • an Herzgefäßproblemen zu sterben um 66 %
  • für Herzinfarkte um 44 %
  • für eine koronare Revaskularisation um 40 % und
  • für Schlaganfälle um 49 %

Zirkadianer Rhythmus und Einnahmezeitpunkt

Der Blutdruck unterliegt im Tagesverlauf regelmäßigen Schwankungen. Morgens und nachmittags werden durch diesen zirkadianen Rhythmus meist besonders hohe Werte gemessen, im Schlaf sinkt der Blutdruck normalerweise unter 120 mmHg. Erstautor Ramón Hermida sieht darin einen Grund für falsche Einnahmezeiten: „Dass Ärzte oft zur morgendlichen Einnahme raten, fußt auf dem fehlgeleiteten Ziel, den morgendlichen Blutdruck abzusenken.“

Frühere Studien hatten aber bereits gezeigt, dass Schlaganfall oder Herzinfarkt vor allem mit erhöhten nächtlichen Werten in Zusammenhang stehen (Non-Dipper). Dies sehen die Autoren der Studie nun bestätigt. Sie raten daher zu einer Langzeitblutdruckmessung, um den Blutdruckverlauf gerade in der Nacht und mögliche damit verbunden Risiken einschätzen zu können. „Den durchschnittlichen systolischen Blutdruckwert während des Schlafs an den von ‘normalen Dippern‘ anzupassen, ist somit ein neues therapeutisches Ziel, um kardiovaskuläre Risiken zu verringern“, so Hermida.

Die Forscher weisen einschränkend darauf hin, dass die Studie mit Patienten durchgeführt wurde, die einen geregelten Tag-Wach-Rhythmus einhalten. Die Ergebnisse könnten daher noch keine Aussage darüber treffen, wie Patienten behandelt werden sollten, die zum Beispiel im Schichtdienst arbeiten. (dpa)

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Dr. Thomas Georg Schätzler 23.10.201918:42 Uhr

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