Neue Datenanalyse

Chloroquin und Co: Geringe Erfolgsaussicht bei COVID-19

Nützt die Therapie mit Chloroquin oder Hydroxychloroquin bei COVID-19? Auch eine Analyse der Daten von 96.000 Betroffenen spricht dagegen. Ergebnisse aus kontrollierten Studien zu den Arzneien stehen aber noch aus.

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Strukturformel von Chloroquin. Die Arznei wird – wie auch Hydroxychloroquin – als Option gegen COVID-19 diskutiert.

Strukturformel von Chloroquin. Die Arznei wird – wie auch Hydroxychloroquin – als Option gegen COVID-19 diskutiert.

© Zerbor / stock.adobe.com

Boston. Eine umfassende Datenanalyse bekräftigt, dass sich Chloroquin und Hydroxychloroquin wahrscheinlich nicht zur Anwendung gegen SARS-CoV-2 eignen. Im Gegenteil: Die Wirkstoffe erhöhen womöglich die Todesrate und führen zu mehr Herzrhythmusstörungen (The Lancet 2020; online 22. Mai).

Forscher aus den USA und der Schweiz haben Daten von gut 96.000 Patienten ausgewertet, die in 671 Krankenhäusern auf sechs Kontinenten behandelt worden sind. Fast 15.000 der Studienteilnehmer hatten eines der Mittel allein oder in Kombination mit einem Makrolid-Antibiotikum bekommen.

Sterberisiko erhöht

Alle vier Behandlungsarten erhöhten das Sterberisiko im Krankenhaus. Vor allem Hydroxychloroquin zusammen mit einem Antibiotikum erwies sich als schlecht: Einer von vier der so behandelten Patienten starb. In der Kontrollgruppe war es nur einer von elf Patienten. Auch bestimmte Herzrhythmusstörungen traten gehäuft auf: Bei acht Prozent im Vergleich zu 0,3 Prozent der Kontrollgruppe.

Das Team um Professor Mandeep Mehra von der Harvard Medical School hatte in der Analyse zahlreiche mögliche Einflussfaktoren berücksichtigt, etwa das Alter der Patienten oder Vorerkrankungen wie Diabetes und Herzkrankheiten.

Die Forscher können dennoch nicht sicher ausschließen, dass es andere, nicht berücksichtigte Faktoren gibt, die die Unterschiede zwischen den Gruppen verursachen. Eben aus diesem Grund seien kontrollierte klinische Studien zu den Mitteln dringend nötig.

Mehr Hoffnungen als Tatsachen?

„Kleinere Studien haben bisher keinen Nutzen zeigen können und die Ergebnisse größerer, randomisierter und kontrollierter Studien liegen noch nicht vor“, sagt Mitautor Professor Frank Ruschitzka vom Universitätsspital Zürich. „Wir wissen von unserer Studie, dass die Chance, dass diese Mittel den Verlauf von COVID-19 verbessern, ziemlich gering ist.“

Die Hoffnung, dass die Mittel zur Behandlung bei COVID-19 geeignet sein könnten, beruhen bisher nur auf Zellversuchen und einigen kleineren Studien. Derzeit laufen zahlreiche klinische Studien, in denen die Wirksamkeit genauer geprüft wird.

US-Präsident Donald Trump hatte Chloroquin ja wiederholt als Wundermittel gepriesen. Zuletzt sorgte er für Aufregung mit der Aussage, er nehme das Medikament prophylaktisch ein, um sich vor dem Virus zu schützen.

Hydroxychloroquin in Brasilien empfohlen

Auch das brasilianische Gesundheitsministerium hat Hydroxychloroquin zur Therapie bei COVID-19 empfohlen. Das Mittel könnte auch Menschen mit nur leichten Symptomen verabreicht werden, hieß es in einem am Donnerstag veröffentlichten aktualisierten Leitfaden für Ärzte. Gegenüber einer früheren Version des Dokuments wurden der Titel geändert, eine Reihe von Quellennachweisen gestrichen und die Verantwortlichen für den Text namentlich genannt.

Zuletzt hatte Gesundheitsminister Nelson Teich um seine Entlassung gebeten, nachdem er sich mit dem rechten Präsidenten Jair Bolsonaro wegen des Einsatzes des umstrittenen Medikaments überworfen hatte.

Hydroxychloroquin wird zur Behandlung von Malaria und bestimmten Autoimmunkrankheiten eingesetzt. Ob sich das Medikament auch zur Behandlung der Lungenkrankheit COVID-19 eignet, ist noch nicht abschließend geklärt. Potenzielle Nebenwirkungen des Präparats wie Herzrhythmusstörungen hingegen gelten als gut erforscht.

„Kein Hinweis auf prophylaktischen Effekt“

„Es gibt überhaupt gar keine Hinweise, dass die prophylaktische Einnahme wirken würde“, sagt der Virologe Professor Jonas Schmidt-Chanasit. Es liefen derzeit zwar Studien dazu, diese hätten aber noch keine validen Daten hervorgebracht und seien auch noch nicht unabhängig wissenschaftlich bewertet worden. Der Mediziner forscht unter anderem am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg.

Zwei Studien aus China und Frankreich von Anfang Mai mit 150 beziehungsweise 180 Probanden stellten zum Beispiel keinen Einfluss von Hydroxychloroquin auf den COVID-19-Verlauf fest. Eine US-Untersuchung mit rund 370 Männern von April ergab sogar, dass bei jenen Patienten, die das Malaria-Medikament erhielten, die Sterberate deutlich höher war. Allerdings hätten diese auch besonders schwere COVID-19-Symptome gezeigt. (dpa)

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