WHO-Tabak-Konferenz

Der Qualm-Streit

Während die WHO ihre strikte Anti-Tabak-Konvention als Waffe zur Verbesserung der Gesundheit proklamiert, attackieren Kritiker die Haltung der WHO zu Rauchalternativen wie Schnupftabak, E-Zigaretten oder Erhitzern.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Schockbilder: Die WHO setzt im Kampf gegen Tabak vor allem auf Abschreckung.

Schockbilder: Die WHO setzt im Kampf gegen Tabak vor allem auf Abschreckung.

© Christophe Agostinis / dpa

Rückschritt oder Fortschritt? Die in puncto Tabakabhängigkeit international gesundheitspolitisch vehement geführte Kontroverse um die Schadensminimierung (Harm Reduction) mittels rauchfreier Produkte wie E-Zigaretten, Kau- und Schnupftabak, aber auch innovativer Tabakerhitzungssysteme, hat die am Montag in Genf gestartete Anti-Tabak-Konferenz der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erreicht.

Wie dem zu Beginn der Konferenz vorgestellten "2018 Global Progress Report on Implementation of the WHO Framework Convention on Tobacco Control" zu entnehmen ist, sind die Alternativen zur konventionellen Tabakzigarette weltweit auf dem Vormarsch, finden sie in den 181 Signatarstaaten der 2005 in Kraft getretenen WHO Tabakrahmenkonvention (WHO Framework Convention on Tobacco Control, FCTC) – die USA, Indonesien, aber auch die Schweiz gehören nicht dazu – zunehmend Verbreitung und Zuspruch.

Der Markt für diese Geräte umfasste laut Bericht 2016 etwa 8,6 Milliarden Dollar. 2023 sollen es 26,8 Milliarden Dollar sein, so die Prognosen.

WHO und die Tabak-Industrie streiten indes über den Umgang mit den Newcomern: Während die WHO diese Produkte prinzipiell als gesundheitsschädlich deklariert und eine klare Regulierung durch Gesundheitsbehörden fordert, vermarktet die Industrie sie als gesündere Rauchalternativen – als risikoreduzierte Produkte (RRP).

Die US-Zulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) folgte dieser Argumentation mit der im Jahre 2009 etablierten Kategorie der Modified Risk Tobacco Products (MRTP) und läutete einen Paradigmenwechsel bei der Tabak- und Nikotinregulierung in den USA ein – allerdings scheiterten alle bis dato beschiedenen Anträge an den Anforderungen.

Regulierungsbedarf angemahnt

137 Regierungen sind bei der diesjährigen Konferenz in Genf vertreten, und sie wollen neue Strategien im Kampf gegen Kippe & Co entwickeln. Denn: Nach Angaben der WHO sterben jedes Jahr sieben Millionen Menschen durch Tabakkonsum. Ein Dorn im Auge der WHO: Kaum die Hälfte der Länder hat Vorschriften für die elektronischen Geräte und andere neue Tabakprodukte, so der Bericht. Hier sieht die WHO großen Handlungsbedarf – auf der Regulierungsebene.

Bei herkömmlichen Zigaretten sind die Länder auf gutem Weg, hieß es. Fast drei Viertel der Vertragsstaaten haben Tabakwerbung und -sponsoring weitgehend verboten. In 85 Prozent der Länder ist es untersagt, Zigarettenmarken etwa in Filmen zu platzieren und 73 Prozent verbieten es, Raucher zu zeigen. In 60 Prozent dürfen Zigaretten auch an Verkaufsständen nicht mehr offen gezeigt werden.

WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus lobte die Anti-Tabak-Konvention daher auch als eine der weltweit besten Waffen zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit. "Wir retten Leben", sagte er. Die Konvention verlangt unter anderem Rauchverbote in öffentlichen Räumen, hohe Steuern auf Tabakprodukte und drastische Warnhinweise auf Zigarettenpackungen.

Trotzdem: Das erklärte Ziel, die Zahl der Raucher von 2010 bis 2025 um 25 Prozent zu senken, schaffen nach derzeitigem Stand nur zehn Prozent der Länder mit mittleren und hohen Einkommen, bei den ärmeren Ländern höchstens zwei Prozent, heißt es im aktuellen Fortschrittsbericht.

Der Teufel ist auch schnell ausgemacht: "Mit ihren astronomischen Budgets setzt die Tabakindustrie ihre wütenden Versuche fort, die Umsetzung unseres Vertrages zu unterlaufen", warnte die Chefin des Sekretariats der Konvention, Vera Luiza da Costa e Silva, in ihrer Eröffnungsrede vor dem Plenum. Beispiele nannte sie allerdings nicht.

Prävention wird weiter zweigleisig betrieben

Tabakfirmen veranstalten parallel zur WHO-Konferenz, die noch bis Samstag andauert, Diskussionen in Genf. Die der Tabakindustrie nahe stehende Organisation Knowledge Action Change, die nach eigenen Angaben die Gesundheitsschäden beim Rauchen reduzieren will, kritisierte die WHO wegen ihrer Ablehnung von E-Zigaretten und Tabakerhitzern.

In puncto Prävention wird es also zweigleisig weitergehen: Die WHO fährt den Hardliner-Kurs, während die Branchen-Platzhirsche Philip Morris International (PMI), British American Tobacco (BAT) sowie Japan Tobacco International (JTI) mit ihren Tabakerhitzer-Plattformen IQOS, iFuse sowie Ploom auf innovative, rauchfreie Alternativen zur konventionellen Verbrennungszigarette setzenallein für IQOS waren nach Unternehmensangaben weltweit jüngst 5,6 Millionen Nutzer, vor allem in westlichen Ländern sowie Japan und Südkorea, zu verzeichnen.

Einigkeit zwischen den Streithähnen herrscht hingegen im Kampf gegen den illegalen Handel von Tabakwaren – Schmuggelware sowie Fälschungen, die oft die strengen Richtwerte für Additive und Ingredienzien überschreiten. Das 2012 in Seoul von der FCTC verabschiedete Protokoll zeigt laut Fortschrittbericht immer mehr Wirkung. Immer mehr Signatarstaaten hätten entsprechende gesetzliche Sanktionsmechanismen etabliert – die Grundlage für die strafrechtliche Verfolgung. (mit dpa-Material)

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