Tabakerhitzer

Die Zukunft des Rauchens

Mit Tabakerhitzern versuchen mehrere Tabakkonzerne derzeit, Raucher konventioneller Verbrennungszigaretten auf diese risikoreduzierten Produkte umzustellen. Erfolge gibt es, ein Selbstläufer ist das bei Weitem nicht.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:

Der Tabakkonsum ist nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation im Kontext der nicht-übertragbaren Krankheiten weltweit die führende Todesursache. Mehr als sieben Millionen Menschen sterben demnach jährlich rund um den Globus an den Folgen ihres Lasters.

Der international zunehmende gesundheitspolitische Druck, die sinnvolle Rauchprävention zu forcieren, setzt auch die großen Tabakkonzerne unter Zugzwang – zumindest die westlichen. Sie kämpfen mit immer mehr Rauchverboten in der Öffentlichkeit, in öffentlichen Gebäuden und Gaststätten sowie mit Vorgaben zur Platzierung von Schockbildern auf den Zigarettenpackungen.

Immerhin geben die großen Konzerne gut sichtbar auf ihren Websites zu, dass es die beste Option für Menschen ist, erst gar nicht mit dem Rauchen anzufangen. Nun positioniert sich Philip Morris International (PMI) – Anbieter bekannter Marken wie Marlboro, L&M und Chesterfield – mit seinem Plädoyer für einen Paradigmenwechsel beim Tabakkonsum.

In einem viel beachteten Interview mit dem britischen Radiosender BBC kündigte PMI-CEO André Calantzopoulos Ende November 2016 bereits das Ende der konventionellen Verbrennungszigarette an. Zum jüngsten Jahreswechsel schaltete der Tabakgigant Anzeigen in britischen Tageszeitungen – und versprach, das Ziel zu verfolgen, in Großbritannien keine Zigaretten mehr zu verkaufen.

Klare Abgrenzung zur E-Zigarette

Das Heil für Raucher sieht PMI in der neuen Technik Heat not burn (HNB), auf der die Tabakerhitzer fußen. Bei diesen innovativen Tabakerhitzungssystemen verdampft der Tabak, bis das Nikotin freigesetzt wird, ein Verbrennungsprozess wie beim Konsum der konventionellen Zigarette, der weitere kanzerogene Schadstoffe freisetzt, findet hingegen nicht statt.

In diesem Sinne vermarktet das Unternehmen sein unter der Marke IQOS geführtes Tabakerhitzungssystem als risikoreduziertes Produkt (RRP). Wie PMI betont, unterscheidet sich IQOS grundlegend von einer nikotinhaltigen E-Zigarette, bei der Konsumenten einen aus nikotinhaltiger Flüssigkeit erzeugten Dampf inhalierten.

IQOS ist indes nicht die einzige Tabakerhitzer-Plattform im Markt. Auch die Wettbewerber Japan Tobacco International (JTI) und British American Tobacco (BAT) setzen mit Ploom und iFuse auf innovative, rauchfreie Alternativen zur konventionellen Verbrennungszigarette.

Um sich des Vorwurfes von Vertretern der Gateway-Hypothese zu erwehren, die neuen Tabakerhitzer könnten weiterhin Jugendliche anziehen und als Einstiegsoption in die Nikotinsucht dienen, weist PMI darauf hin, das System sei "gedacht für erwachsene Raucher, die ansonsten weiterrauchen würden".

Tabakerhitzer im Steckbrief

  • Technik: Der Tabak wird im Erhitzer elektronisch zum Dampfen gebracht, sodass der Tabak erhitzt, aber nicht verbrennt.
  • Schadensprofil: Der Konsument erhält weiterhin seine Nikotindosis, das Aerosol eines Tabakerhitzers ist aber laut Studien im Vergleich zur Verbrennungszigarette in puncto Zytotoxizität um 90 Prozent und in puncto Mutagenität um 95 Prozent reduziert.
  • Zielgruppe: Bisher sind Tabakerhitzer aufgrund der im Vergleich zu vielen konventionellen Produkten höheren Preise für Gerät und Tabak-Sticks eher im Lifestyle-Segment anzusiedeln. Durch diese Positionierung soll auch der Einstieg mittels Tabakerhitzer in die Raucherkarriere vermieden werden.

Eine Nachbeobachtungsstudie aus Japan, dem weltweit führenden IQOS-Markt, zeigt laut PMI zudem, dass von 1000 befragten Nutzern des Tabakerhitzungssystems 97,3 Prozent mit der konventionellen Verbrennungszigarette in ihre Raucherkarriere gestartet sind. In Japan verzeichnete PMI zum 3. Quartal 2017 mit IQOS Heat Sticks einen Anteil von 11,9 Prozent am gesamten Tabakmarkt.

Angesichts einer geschätzten Anzahl von rund einer Milliarde Raucher weltweit steht die zukünftige Rolle der Tabakerhitzer noch in den Sternen – fünf Jahre nach der ersten Markteinführung von IQOS sind laut PMI erst 3,7 Millionen Raucher auf die rauchfreie Tabakalternative umgestiegen. Generell weiß auch PMI, dass das Vorhandensein von RRP noch kein Selbstläufer ist.

Forschung nach höchsten Standards

Wie Dr. Alexander Nussbaum, bei Philipp Morris in Deutschland Leiter des Bereichs Scientific and Medical Affairs, im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" erläutert, hängt der Erfolg des Harm Reduction-Ansatzes von den offerierten Produktdesigns und deren Akzeptanz bei den Rauchern ab – die Umstiegsbereitschaft ist somit der Knackpunkt.

PMI verfolgt den Ansatz der rauchfreien Welt seit seiner Abspaltung vom US-Konzern Altria im Jahr 2008 und hat seitdem insgesamt mehr als drei Milliarden US-Dollar in dieses Marktsegment investiert. 2350 Patente seien weltweit bereits gewährt worden, 3750 weitere beantragt.

PMI hat mehr als 430 Wissenschaftler angeheuert, um auch die medizinische sowie gesundheitspolitische Fachwelt vom Vorteil der risikoreduzierten Tabakerhitzer zu überzeugen. Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten konzentrieren sich auf zwei Zentren in Singapur und in der Schweiz.

PMI sei es nicht nur im Hinblick auf die medizinische und gesundheitspolitische Fachwelt wichtig, in Anlehnung an die hohen Standards der Pharmaindustrie und im Einklang mit den FDA-Richtlinien zu forschen, sondern auch unter Einhaltung der Good Laboratory Practices (GLP), der Good Clinical Practices (GCP) sowie der international akzeptierten ethischen und wissenschaftlichen Qualitätsstandards für Labor- und klinische Studien, wie Nussbaum beim Besuch der "Ärzte Zeitung" im Forschungszentrum "Cube" in Neuchâtel in der Schweiz betont.

Ständig messen dort die Wissenschaftler und ihre Teams unter anderem Schadstoffkonzentrationen der Aerosole rauchfreier Tabakprodukte und unternehmen mutagenitäts- sowie toxizitätsbezogene Experimente.

Um 90 Prozent geringe Zytotoxizität

2016 hatte PMI Studiendaten veröffentlicht, die eine Reduktion der Schadstofflevels im Aerosol eines Tabaksticks seines IQOS-Systems belegten. Die Zytotoxizität war um 90 Prozent, die Mutagenität um 95 Prozent geringer im Vergleich zu einer Verbrennungszigarette (Regul Toxicol and Pharmacol 2016, 81:S27-S47).

Untersucht hatte PMI 58 Chemikalien – darunter 18 von der FDA sowie 15 von der Internationalen Agentur für Krebsforschung vorgegebene. Auf der 15. Deutschen Konferenz für Tabakkontrolle in Heidelberg bestätigten Vertreter des Bundesinstituts für Risikobewertung die Werte – allerdings mit dem Hinweis verbunden, sich keiner Einschätzung der Tabakerhitzer als RRP anzuschließen.

Wie PMI-Mann Nussbaum erläutert, beiße er auf der Suche nach potenziellen Studienleitern größtenteils auf Granit. "Die Bereitschaft zur wissenschaftlichen Zusammenarbeit in Studien und die Akzeptanz der Rolle von RRP für die Schadensminimierung sind da, einen großen Hemmschuh stellen aber wissenschaftliche Fachgesellschaften dar", so Nussbaum.

Mitunter sorgten sich die Forscher um ihre wissenschaftliche Reputation und befürchteten Schwierigkeiten bei der Publikation aus einer solchen Zusammenarbeit mit der Industrie.

Wie Nussbaum betont, orientiert sich PMI bei seiner Forschung zu RRP am "Goldstandard" des US Institute of Medicine, dem Rauchstopp, und vergleicht seine Ergebnisse im Sinne der Harm Reduction zusätzlich gegenüber dem Weiterrauchen von Verbrennungszigaretten.

Lesen Sie dazu auch das Interview: Tabakerhitzer: Schadensminimierung gewinnt Freunde

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