Studie
Der paradoxe Herz-Schlag
Ein schneller, heftiger Stoß auf die Brust kann einen Herztod auslösen – oder es wieder anspringen lassen. Warum das so ist, haben Forscher untersucht – und konnten eine übliche Erklärung ins Reich der Mythen schicken.
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Ein Schlag, zwei gegensetzliche Wirkungen: Ein Schlag auf die Brust kann das Herz reanimieren – oder zum Stillstand bringen.
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BERN. Herzmuskelzellen sind offenbar unempfindlicher gegenüber schneller Dehnung als bislang angenommen, so eine Studie im Fachmagazin „Nature Communications“ (doi: 10.1038/s41467-019-08757-2). Damit haben Forscher der Universität Bern widerlegt, dass eine schnelle Dehnung der Herzmuskelstreifen die Erregungsausbreitung stark beeinflusst bis hin zum Herztod, berichtet die Uni in einer Mitteilung.
Die bisherige Hypothese geht davon aus, dass durch die mechanische Reizung des Herzgewebes Eiweißmoleküle, sogenannte Ionenkanäle, in den Herzzellen verformt werden. In der Folge werde eine zusätzliche elektrische Erregungswelle ausgelöst, was u.a Kammerflimmern verursachen kann.
Dies galt bisher unter Medizinern als mögliche Erklärung, warum ein abrupter Schlag auf die Brust sowohl zum Herztod durch Herzerschütterung (Commotio cordis) wie auch umgekehrt zur Reanimation führen kann.
Der Mitautor Professor Stephan Rohr sprich von einem „unerwarteten Resultat“. Möglicherweise befindet sich die Dehnungsempfindlichkeit schlicht nicht im Bereich der Muskelzellen, sondern bei den Herzbindegewebszellen, mutmaßen die Forscher.
Testgerät kann Stoß messen
Zusammen mit Kollegen der École polytechnique fédérale de Lausanne in Neuchâtel haben sie eine Apparatur gebaut. „Unser Gerät ist das einzige, das die Dynamik eines Schlags auf die Brust nachahmen und gleichzeitig die elektrophysiologischen Auswirkungen auf das Herzgewebe messen kann“, so Rohr.
Kohleelektroden messen demnach unter Hochspannung die Dehnung einer Silikonmembran. Diese Konstruktion bilde das Stützgewebe der Herzmuskelzellen nach und erlaube Messungen des Dehnverhaltens. (ajo)