Zweifel am Check up 35

Diabetes bleibt oft unentdeckt

Diabetes ist längst eine Volkskrankheit. Die präventiven Instrumente halten mit der wachsenden Prävalenz nicht Schritt. Fachleute fordern politische Konsequenzen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Oft lange unerkannt: Diabetes.

Oft lange unerkannt: Diabetes.

© fotolia.com

BERLIN. Die Weltbevölkerung gerät außer Form. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) diagnostiziert Diabetesrisiken rund um den Erdball. 415 Millionen Patienten mit Diabetes Typ 2 weltweit registriert die Internationale Diabetes-Föderation für 2015. Das entspricht 8,8 Prozent der Weltbevölkerung.

Erstmals hat die WHO daher den Weltgesundheitstag am Donnerstag dieser Woche dem Kampf gegen Diabetes gewidmet. Für Deutschland vermeldet die Deutsche Diabetes Hilfe (diabetes.DE) rund 6,7 Millionen an Diabetes erkrankte Menschen, sowie ein bis zwei Millionen Menschen, die nichts von ihrer Krankheit wissen. Am Dienstag haben diabetes.DE und Hausärzte die Aufmerksamkeit genutzt, um politische Forderungen zu platzieren.

"Der "Check up 35" versagt bei der Frühdiagnostik des Diabetes mellitus, nach wie vor wird nur der Nüchternzucker kontrolliert", sagte Ingrid Dänschel, stellvertretende Bundesvorsitzende des Hausärzteverbandes am Dienstag in Berlin.

Es sei dringend geboten, eine Messung des HbA1c-Wertes in die von den Kassen bezahlte Vorsorgeuntersuchung aufzunehmen, schloss sich Professor Thomas Danne, Vorsitzender von diabetes.DE an.

"Wir können nicht so weitermachen wie bisher"

Kostenargumente lassen die Ärzte nicht gelten. Bei geschätzt 48 Milliarden Euro, die die Behandlung und Folgewirkungen des Diabetes im Jahr kosten, sei mehr Prävention leicht zu finanzieren. In diesem Betrag stecken die Behandlungskosten des Diabetes selbst, die Behandlung der Komorbiditäten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Amputationen, Dialysepflicht auslösende Niereninsuffizienzen sowie soziale Kosten durch Arbeitsunfähigkeit.

"Kein Land der Welt kann der durch Diabetes verursachten Kostenlawine Herr werden, wenn wir weiter machen wie bisher", kommentierte Professor Baptist Gallwitz, der Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft die Zahlen.

Die Vertreter der Verbände erneuerten ihre Forderungen nach einer Zucker- und Fettsteuer, nach Verboten für an Kinder- und Jugendliche gerichtete Werbung für zuckerhaltige Lebensmittel und nach einem Nationalen Aktionsplan Diabetes.

Beim Robert Koch-Institut wird derzeit ein Diabetes-Überwachungssystem aufgebaut, um belastbare Daten zu gewinnen.

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Kommentare
Egon Manhold 06.04.201617:21 Uhr

Postprandiale Blutzuckerkontrolle

Ich fände eine Blutzuckerkontrolle 1 - 2 Stunden nach einem kohlenhydrathaltigen Frühstück deutlicher besser geeignet, als den Nüchternzuckewr zu bestimmen. Gerade bei (beginnendem) Typ 2 Diabetes ist der postprandiale Wert meist deutlich erhöht.

Dass ggf. weitere Untersuchungen (Blutfette usw.) sinnvoll sind, versteht sich m.E. von selbst.

Friedhelm Woch 06.04.201612:24 Uhr

Ist der HbA1c der richtige Wert um den vOrdiabetes zu erkennen?

Hallo,

Beim HbA1c-Wert kann man den Vordiabetes erkennen??

vor kurzem habe ich noch in Ihrer Zeitung gelesen:

Nüchternglukose-Wert ungeeignet
Der Nüchternglukose-Wert wäre ein praktisches Screening-Instrument, ist dafür aber völlig ungeeignet. "Ein erhöhter Nüchternglukosespiegel spricht sehr stark für das Vorliegen eines Diabetes mellitus", erklärt Professor Peter Schwarz aus Dresden in einem Beitrag zu den Möglichkeiten des Diabetesscreenings und der Diabetesvorsorge in "Der Internist" (2015; 56: 1124-1133).
Denn pathophysiologisch ist es in der allmählichen Entwicklung eines Diabetes so, dass zuerst postprandiale Glukosespitzen auftreten, später hohe Werte im Zweistunden-Bereich nach dem Essen.
Und schließlich sei dann auch die Nüchternglukose erhöht, erklärt Schwarz.

Auch oGTT und HbA1c wenig hilfreich

Mit dem oralen Glukosetoleranztest (oGTT) kommt man allerdings ebenfalls zu spät.

Was ist den jetzt richtig?

Maren Reed 06.04.201611:19 Uhr

Ergänzung zu Dr. Schätzer

Auch die weiteren Blutfettwerte wie LDL, HDL und Triglyceride sollten bestimmt werden, da eigentlich bekannt sein sollte, dass ein Gesamtcholesterinwert alleine nicht viel aussagt.
Auch Vitamin D sollte ab einer bestimmten Altersgruppe aus Gründen der Prävention von Osteoporose dazugehören. Oder zumindest von Ärzten als wichtig genannt werden. Selbst das unterbleibt oft, so dass viele Frauen >50 keine Ahnung davon haben, dass sie einen Mangel und somit ein überflüssiges erhöhtes Risiko haben.

Dr. Henning Fischer 05.04.201619:57 Uhr

Check up 35: Blutzucker, Cholesterin, Anamnese, körperliche Untersuchung


damit wird kein Patient und kein Arzt motiviert.

Erklärt man einem Patienten den Umfang der gesetzlich vorgesehenen Untersuchung dann winkt er müde ab.

Also, was paßt hier nicht?

Dr. Thomas Georg Schätzler 05.04.201619:24 Uhr

Check up 35 muss aufgewertet werden!

Nicht der "Check up 35" versagt bei der Frühdiagnostik des Typ-2 Diabetes mellitus, bei dem nach wie vor nur der Nüchtern-Blutzucker (Glucose) kontrolliert wird, sondern die Politik, die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und die Normen setzende KBV. Aber auch die Diabetes-Fachgesellschaften haben eine völlig aberwitzige, eigenwillige DEGAM-Diabetes-Versorgungsleitlinie nicht zurückgepfiffen. Letztere verteufelte das HbA1c-Screening und wollte uns mit Sulfonylharnstoff-"first-line"-Therapie in die diabetologische Steinzeit zurückbeamen.

Wie ich bereits mehrfach angemahnt habe, beim Check-up-35 (EBM 01732) fehlen neben dem HbA1c Kreatinin, Leberwert, Blutbild, TSH und EKG. Aber diese Untersuchung ist von der KBV gezielt a b g w e r t e t und nicht aufgewertet worden. Das dilettantische Formular dazu konnte niemals ausgewertet werden, weil es keine nachvollziehbar empirische Systematik hat.

In meiner Praxis werden bei Verdacht auf metabolisches Syndrom der HbA1c und Indikations-bezogenen weitere Parameter untersucht, damit ein Check-up 35 nicht nur eine Worthülse bleibt. So macht hausärztliche Allgemeinmedizin Sinn, Verstand und Spaß bei der Früherkennung und Prävention.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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