Schnelle Handlungsfähigkeit gefragt
Ebola im Kongo stellt WHO unter Zugzwang
Steht die Demokratische Republik Kongo vor einer Ebola-Epidemie? Für die Weltgesundheitsorganisation ist der Ausbruch in Bikoro ein Prüfstein ihrer Handlungsfähigkeit.
Veröffentlicht:Das dürfte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) derzeit gefürchtet haben wie der Teufel das Weihwasser: In Zentralafrika könnte nach dem diese Woche gemeldeten Ebola-Ausbruch in Bikoro in der Demokratischen Republik Kongo das bevorstehen, was die westafrikanischen Staaten Guinea, Liberia und Sierra Leone zwischen Ende 2013 und Anfang 2016 leidvoll durchlebt haben – eine Ebola-Epidemie mit unnötig hoher Opferzahl.
Der Ebola-Ausbruch führte dort laut WHO zu 28.610 bestätigten Fällen der Seuche und 11.308 Todesopfern – unter anderem, weil die Organisation am Anfang des pandemischen Geschehens nicht schnell genug reagiert hatte. Die WHO gestand – notgedrungen unter öffentlichem Druck – Fehler im Krisenmanagement ein. Und die damalige Generaldirektorin Dr. Margaret Chan stieß vor zwei Jahren auf der 69. Weltgesundheitsversammlung bereits erste Reformschritte an, die ihr Nachfolger, der ehemalige äthiopische Gesundheitsminister Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, nach eigenem Bekunden fortführen will. Der neue Ausbruch im Kongo könnte dazu führen, dass er dabei schneller vorgehen muss, als ihm lieb ist – und das unter schärfster internationaler Beobachtung.
In Westafrika hat sich die WHO zu Beginn des damaligen Ebola-Ausbruches viel zu viel Zeit gelassen, um zu reagieren – Zeit, die das Virus nutzen konnte, um sich zur Epidemie zu mausern. Das soll nun im Kongo verhindert werden, wie auch Dr. Peter Salama, Exekutivdirektor und Abteilungsleiter des Notfallprogramms, hervorhebt.
"Unsere oberste Priorität liegt darauf, nach Bikoro zu gelangen, um dort gemeinsam mit der Regierung der Demokratischen Republik Kongo und Partnern den Verlust an Leben und die damit zusammenhängenden Schäden zu begrenzen", so Salama in einer WHO-Mitteilung.
"Mit Partnern zusammenzuarbeiten sowie früh und koordiniert zu reagieren, wird entscheidend sein, um diese tödliche Krankheit in Schach zu halten", schiebt Salama pflichtschuldigst nach – quasi als Beruhigungspille für die kongolesische Bevölkerung und den Rest der Welt.
"Ärzte ohne Grenzen" mit im Team
Um ihre gegenwärtige Krisenreaktionsgeschwindigkeit zu untermauern, weist die WHO darauf hin, dass das erste multidisziplinäre Team taggleich mit der Information durch die kongolesische Regierung über die bestätigten Ebola-Fälle im westlichen Kongo nach Bikoro aufgebrochen sei – darunter Vertreter der "Ärzte ohne Grenzen" –, um die Koordination vor Ort zu stärken und die Untersuchungen zu steuern.
Es bedarf keiner großen Fantasie, um sich ein Epidemie-Szenario auszumalen, das an die Geschehnisse in Westafrika erinnert – die Parallelen sind zu groß. So weist die WHO darauf hin, dass die betroffenen Ebola-Fälle alle aus der "Ilkoko Iponge Health Facility" rund 30 Kilometer von Bikoro entfernt gemeldet worden seien. Die Gesundheitseinrichtungen in Bikoro in der Provinz Equateur nahe der Grenze zur Republik Kongo verfügten nur über eine limitierte Funktionsvielfalt und seien in puncto Versorgungsmaterial, das sehr schnell wieder verbraucht sei, abhängig von internationalen Organisationen.
Info-Offensive geplant
In Guinea, Liberia und Sierra Leone begünstigten die ebenfalls völlig desolaten Gesundheitssysteme mit ihren defizitären Institutionen und dem schlecht ausgebildeten Gesundheitspersonal das Seuchengeschehen. Die in Afrika weit verbreitete Skepsis gegenüber der westlichen Schulmedizin sowie ein mangelndes Gesundheitswissen waren der Eindämmung der Seuche auch nicht zuträglich. Daraus scheint die WHO gelernt zu haben. Sie will im Kongo intensiv zur Ebola-Prävention und -Kontrolle aufklären, so Dr. Matshidiso Moeti, WHO-Regionaldirektorin für Afrika.
Bikoro kann zum Synonym werden für einen Paradigmenwechsel bei der WHO – oder für deren Versagen.