Europäischer Uro-Kongress
Erektionsstörungen als Folge von Porno-Konsum?
Können Pornos bei Erektionsstörungen helfen – oder bewirken sie vielleicht genau das Gegenteil? Forscher kamen jetzt bei einer Befragung Tausender Männer zu überraschenden Ergebnissen.
Veröffentlicht:London/Antwerpen. Wer viele Pornos guckt, hat Forschern zufolge mehr Erektionsstörungen und weniger Spaß am „normalen“ Sex. Zudem schätzten nur 65 Prozent der Männer in einer internationalen Online-Umfrage den Sex mit Partnern stimulierender als Pornografie ein. Die Ergebnisse haben Wissenschaftler am Wochenende beim Kongress der Europäischen Gesellschaft für Urologie vorgestellt.
„Männer schauen ziemlich viel Pornos, im Durchschnitt etwa 70 Minuten pro Woche, normalerweise für 5 bis 15 Minuten“, berichtete Studienleiter Gunter de Win von der belgischen Universität Antwerpen. Die Variationsbreite der Antworten sei überraschend gewesen. Einige Männer konsumierten wenige, andere dagegen „viel, viel mehr“ Pornos. Der Spitzenwert lag bei mehr als 26 Stunden pro Woche. Ein weiteres Ergebnis der Umfrage: 23 Prozent der Männer unter 35 Jahren berichteten über Erektionsstörungen beim Sex mit Partnern.
Mehr als 3000 Umfrage-Teilnehmer
An der Umfrage hatten insgesamt 3267 Männer vor allem aus Belgien und Dänemark teilgenommen. Forscher aus diesen beiden Ländern und Großbritannien hatten die Untersuchung mit 118 Fragen, etwa zur Selbstbefriedigung, erstellt. Sie hatten in sozialen Medien, auf Postern und Flyern für die Teilnahme geworben. Demnach sollten nur Männer teilnehmen, die in den vier Wochen davor Sex hatten.
„Es ist eine Befragung und keine klinische Studie. Und es könnte sein, dass die Männer, die geantwortet haben, nicht repräsentativ für die ganze männliche Bevölkerung sind“, räumte Professor de Win ein. Aber: Die Stichprobe sei groß und sie zeige einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Zeit, die für das Ansehen von Pornos genutzt werde, und Erektionsstörungen beim Sex mit Partnern.
„Es besteht kein Zweifel, dass Pornos die Art und Weise beeinflussen, wie wir Sex sehen“, so der Forscher. Viele Männer hätten angegeben, derzeit extremere Pornos als früher anzuschauen, um überhaupt noch erregt zu werden. 90 Prozent der Teilnehmer spulten vor, um die am stärksten erregenden Szenen früher zu sehen. Ärzte, die Männer mit Erektionsproblemen behandelten, sollten daher nachfragen, ob ihre Patienten viele Pornofilme konsumierten, rät de Win. Es gab zunächst keine Aussagen darüber, ob umgekehrt Erektionsstörungen auch zu häufigeren Pornokonsum führen.
„Mehrere Studien mit ähnlichen Ergebnissen“
„Es gibt mehrere Studien, die zu ähnlichen Ergebnissen kommen“, sagte Tabea Freitag aus Hannover, die die Fachstelle Mediensucht „return“ gegründet hat. So legen auch die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse einer Auswertung von Infos auf einer Social-News-Plattform nahe, dass junge Männer mit Potenzproblemen diese häufig auf einen übermäßigen Pornokonsum und exzessive Masturbation zurückführen. „Impotenz in der Partnerschaft durch regelmäßigen Pornokonsum ist ein häufiges Problem“, so die Psychotherapeutin.
Tabea Freitag verweist noch auf eine andere negative Folge: „Gewalt und Erniedrigung ist zum normalen Bestandteil der Mainstream-Pornografie geworden. Vor allem jüngere Männer erwarten zunehmend von ihren Partnerinnen, schmerzhafte Praktiken mitzumachen.“
Im MRT erkennbar: veränderte Gehirnstrukturen
Potenzstörungen können verschiedene Ursachen haben. Das Spektrum reicht von körperlichen Gründen wie Verletzungen und Gefäßerkrankungen bis hin zu psychischen wie Stress und Depressionen.
Auch über den Einfluss von Pornos wird immer wieder diskutiert: Wer sie oft konsumiere, habe ein verzerrtes Bild von der Realität – und dann Probleme im heimischen Bett, argumentieren viele Experten. Psychologen am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung konnten mit einem Magnetresonanztomografen sogar Veränderungen der Gehirnstruktur bei Männern nachweisen, die viele Pornos guckten.
Pornos könnten positive und negative Auswirkungen haben. Sie würden auch als Hilfsmittel bei der Behandlung sexueller Funktionsstörungen verwendet, sagte Maarten Albersen von der belgischen Universität Löwen. „Die neue Studie trägt zu einer laufenden Debatte zu diesem Thema bei.“ Es handele sich um einen kontroversen Bereich, betonte der Urologe, der nicht an der Befragung beteiligt war. „Das letzte Wort zu diesem Thema ist noch nicht gesprochen.“ (dpa/mal)