Autismus
Fehler im Bauplan für ein Protein
Ein neues Mausmodell macht es leichter, eine Form des Autismus besser verstehen zu können: Von Bedeutung ist dabei offenbar ein ganz bestimmtes Protein.
Veröffentlicht:HEIDELBERG. Wie sich eine bestimmte Veränderung im Erbgut, die bei Menschen mit einer Form des Autismus gekoppelt ist, auf Hirnentwicklung und Verhalten auswirkt, haben Wissenschaftler der Abteilung Molekulare Humangenetik des Uniklinikums Heidelberg anhand eines neuen Mausmodells gezeigt (Mol Psychiatry 2014; online 30 September).
Im Gehirn der genetisch veränderten Mäuse wird — wie bei Menschen, die an einer bestimmten Form des Autismus erkrankt sind — das Protein FOXP1 nicht gebildet, teilt die Uniklinik mit. In der Folge verkümmern nach der Geburt die Hirnstrukturen, die für die Wahrnehmung von besonderer Bedeutung sind.
Die Mäuse zeigen zudem für Autismus typische Verhaltensauffälligkeiten. Mithilfe des Mausmodells lassen sich nun die molekularen Mechanismen, in denen FOXP1 eine Rolle spielt, aufklären und die damit einhergehenden Veränderungen im Gehirn besser verstehen.
Umgang mit Autismus erleichtert
"Zwar sind solche Ergebnisse aus der Grundlagenforschung nicht unmittelbar für die Therapie nutzbar, trotzdem sind sie für die Betroffenen oder in diesem Fall für ihre Eltern und Angehörigen sehr wertvoll: Vielen ist es wichtig, die Erkrankung konkret zu benennen und verstehen zu können.
Es kann ihnen den Umgang damit erleichtern", wird Professor Gudrun Rappold, Leiterin der Abteilung Molekulare Humangenetik am Uniklinikum Heidelberg in der Mittelung zitiert.
Bereits seit 2010 gab es deutliche Hinweise, dass Fehler im Bauplan für FOXP1 bei Autismus und geistiger Behinderung eine Rolle spielen. Doch welche Funktion übernimmt es im gesunden Gehirn, in welche Signalwege ist es eingebunden, mit welchen weiteren Proteinen interagiert es und welche Schäden verursacht sein Fehlen genau?
Dank des neuen Mausmodells ist man nun etwas weiter: Die Forscher entdeckten, dass die Mäuse zunächst mit einem weitgehend normal entwickelten Gehirn zur Welt kommen. Im Verlauf der ersten Lebenswochen degeneriert das für Wahrnehmung und Verhalten wichtige Striatum.
Auch im Hippocampus, unverzichtbar für die Ausbildung von Langzeitgedächtnis und Erinnerung, treten mikroskopisch sichtbare Veränderungen auf, die außerdem Auswirkungen auf die Signalverarbeitung haben. So konnte nachgewiesen werden, dass sich in den betroffenen Nervenzellen die Erregungsleitung verändert.
Ventrikel sind vergrößert
Zusätzlich zum degenerierten Striatum sind bei den Mäusen die Ventrikel vergrößert. "Vergrößerte Ventrikel ließen sich auch bei Menschen mit einer FOXP1-Mutation nachweisen", erklärt Dr. Claire Bacon, Mitarbeiterin der Abteilung Molekulare Humangenetik.
Zudem lösen die Veränderungen Verhaltensauffälligkeiten aus, die mit den Symptomen bei autistischen Patienten vergleichbar sind: Die Mäuse nehmen kaum Notiz von ihren Artgenossen und versuchen auch nicht, mit diesen in Kontakt zu treten.
Dazu kommen stereotype, zwanghaft wiederholte Verhaltensweisen, Hyperaktivität sowie ein gestörtes Nestbauverhalten. (eb)