Interview mit dem STIKO-Chef

Grippeschutz durch die Nase

Influenza-Impfung durch die Nase - ganz ohne Pieks: Das "Nasenspray" gibt es jetzt auch in Deutschland. Für wen es sinnvoll ist, wie es funktioniert, und welche Hoffnungen dahinter stecken, erklärt der STIKO-Vorsitzender Dr. Jan Leidel im Interview.

Veröffentlicht:
Das neue Influenza-Impfspray wird in die Nase gesprüht.

Das neue Influenza-Impfspray wird in die Nase gesprüht.

© AstraZeneca

Ärzte Zeitung: Herr Dr. Leidel, wie funktioniert das Impfprinzip?

Dr. Jan Leidel: Die abgeschwächten Virusstämme in dem attenuierten Lebendimpfstoff (live attenuated influenza vaccine, LAIV) Fluenz® sind kälteadaptiert und thermosensitiv.

Daher vermehren sie sich im Nasopharynx und verursachen dort eine protektive Immunität. Sie vermehren sich aber nicht in den tieferen Atemwegen.

Ärzte Zeitung: Wie wirksam sind solche Impfstoffe nach den Erfahrungen in den USA?

Leidel: In kontrollierten Studien mit, Kleinkindern, Kindern und Jugendlichen zeigte sich LAIV besonders bei Kindern nicht nur im Vergleich mit Placebo, sondern auch mit einem nicht adjuvantierten injizierbaren Impfstoff (trivalent influenza vaccine, TIV) hinsichtlich des Schutzes vor einer laborbestätigten Influenza überlegen.

Dr. Jan Leidel

Aktuelle Position: Vorsitzender der Ständigen Impfkommission.

Werdegang/Ausbildung: 1964 bis 1970 Studium der Humanmedizin in Gießen. 1971 bis 1977 Forschung an den Instituten für Virologie in Gießen und Köln.

Karriere: Als Arzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie war er von 1985 bis zur Pensionierung 2009 Leiter des Kölner Gesundheitsamts.

Bei Studien mit Erwachsenen gab es zwar auch Hinweise auf eine mögliche Wirksamkeit, die Europäische Zulassungsbehörde EMA (European Medicines Agency) hat aber keine Schlussfolgerungen über den klinischen Nutzen des Impfstoffs für Erwachsene gezogen, zumal Ergebnisse einiger Studien sogar auf eine geringere Wirksamkeit des nasalen Grippe-Impfstoffs hindeuteten.

Ärzte Zeitung: Wie sicher ist die Impfung mit den abgeschwächten Erregern?

Leidel: Die in den Zulassungsstudien nachgewiesene Sicherheit von LAIV war Voraussetzung für die Zulassung durch die EMA.

Bei Anwendung des nasalen Grippe-Impfstoffs bei Kindern unter zwei Jahren kam es zu einer erhöhten Rate von Hospitalisierungen jeglicher Ursache beziehungsweise zu einer erhöhten Rate von Atemproblemen (Giemen, "Wheezing") Das ist der Grund, warum Fluenz® erst ab dem vollendeten 2. Lebensjahr zugelassen wurde.

Im Rahmen der Überwachung nach der Markteinführung wurde sehr selten ein Guillain-Barré-Syndrom sowie die Verschlechterung eines Leigh-Syndroms (mitochondriale Enzephalopathie) beobachtet, wobei der ätiologische Zusammenhang unklar ist.

Ein Problem könnte auch die Übertragung der attenuierten Lebendviren auf stark immungeschwächte Personen sein.

Ärzte Zeitung: Sind Infektionen durch die abgeschwächten Impfviren beobachtet worden?

Leidel: Ja, das ist das Prinzip einer Lebendimpfung. Es kommt nach Impfung mit dem nasalen Grippe-Impfstoff praktisch regelmäßig zu einer Infektion im Nasopharynx. Aber bei sonst gesunden, immunkompetenten Personen führt dies nicht zu einer Erkrankung.

Ärzte Zeitung: Warum ist der Impfstoff nur für Kinder zugelassen und in den USA nur für Nichtrisiko-Gruppen?

Leidel: Die EMA war aufgrund der entsprechenden Studien nicht von der Effektivität des Impfstoffs bei Erwachsenen überzeugt.

Hinter der Beschränkung auf Nichtrisiko-Gruppen in den USA steckt die Sorge, dass Menschen, die aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation durch eine Influenza besonders gefährdet sind, auch durch den attenuierten Lebendimpfstoff gefährdet sein könnten.

Ärzte Zeitung: Was ist der Vorteil des Impfsprays, und wann sollte eher der konventionelle Impfstoff gegen Influenza eingesetzt werden?

Leidel: Das ist ähnlich wie bei einer Schluckimpfung, die Injektion mit einer Nadel wird vermieden, was die Akzeptanz der Impfung erhöhen kann. Aber auch die bessere klinische Wirksamkeit des neuen Impfstoffs erscheint mir als Vorteil.

Eine Kontraindikation für die Anwendung von Fluenz® ist eine klinisch relevante Immunschwäche durch eine Erkrankung oder immunsuppressive Behandlung. Das gilt auch für Kinder und Jugendliche, die eine Salicylat-Therapie erhalten (Risiko eines Reye-Syndroms).

Fluenz® sollte mit besonderer Vorsicht bei Kindern und Jugendlichen mit schwerem Asthma oder akutem Giemen angewendet werden. Impflinge, die die Impfviren auf erheblich immungeschwächte Personen übertragen können, sollten für ein bis zwei Wochen den engen Kontakt zu solchen Personen vermeiden oder aber mit TIV geimpft werden.

Die STIKO wird sich in einer Stellungnahme zu Fluenz® äußern und darauf hinweisen, dass die STIKO die Impfung gegen Grippe für Personen unter 60 Jahren einschließlich Kindern und Jugendlichen nicht generell, sondern nur bei Vorliegen einer Impfindikation empfiehlt.

Dazu zählen bestimmte Grunderkrankungen, Personen, die als mögliche Infektionsquelle für ungeimpfte enge Kontaktpersonen mit besonderem Risiko fungieren können, sowie Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr.

Auch spricht die STIKO keine Empfehlung für spezielle Impfstoffe aus. Sie weist jedoch darauf hin, dass die Anwendung von LAIV durch die gegenwärtige STIKO-Empfehlung gedeckt ist.

Die Fragen stellte Wolfgang Geissel

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Kommentare
Dr. Horst Grünwoldt 19.09.201214:49 Uhr

Impf-Wesen

Na endlich wird versucht, die nasale Eintrittspforte für Influenza-Virus -die vermeintlichen Grippeerreger- zu "verschließen" und den Körper nicht systemisch mit vermehrungsfähigen Agentien oder Immun-Reaktions- "Verstärkern" zu belasten!
Nachdem das Impfwesen schon von der riskanten Applikation tierischer Seren weitgehend abgekommen ist, sollten die Molekularbiologen und die medizinischen Impfstoff-Forscher bald auch den nächsten Schritt für "safer vaccines" vornehmen; und zwar die Herstellung von immunologisch wirksamen Virus-Bruchstücken wie H (ämagglutinin)- und N (euraminidase)- Antigenen mittels PCR- Vermehrung oder anderen Techniken.
Damit sollte a la longe die Verimpfung von vermehrungsfähigen Krankheitserregern und ihrer potentiellen, aber unsicheren (Schad- oder Schutz-)Wirkung als archaische Vaccination angesehen werden.
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt (FTA für Hygiene), Rostock

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