Demenz durch Infektion?
Herpes und der Alzheimer-Verdacht
Herpes-Viren begünstigen womöglich eine Demenz. Studiendaten belegen: Ältere Menschen mit Herpes-simplex-Infektion erkranken doppelt so häufig an Alzheimer wie Senioren, die keine Antikörper gegen die Viren aufweisen.
Veröffentlicht:UMEA. Kaum eine Erkrankung, bei der man nicht schon Bakterien oder Viren als Haupt- oder zumindest Begleitfaktoren vermutet hat - Demenzen bilden hier keine Ausnahme.
Auch wenn die Fachwelt bei neurodegenerativen Erkrankungen vor allem Gene und Umwelteinflüsse am Werke sieht, so gibt es durchaus auch Befürworter eine Infektionshypothese. Nach dieser könnte ein schwächelndes Immunsystem im Alter die Ausbreitung von HSV im Gehirn begünstigen.
Das vermutet jedenfalls der schwedische Forscher Professor Hugo Lövheim von der Universität in Umeå. Seine Arbeitsgruppe hat zwei epidemiologische Studien vorgelegt, die einen Einfluss von HSV bei der Alzheimerentstehung nahelegen.
Zuvor konnten Forscher schon HSV-1 in Alzheimerplaques nachweisen, auch brachten die Viren in Zellkulturen die Produktion von Amyloid-Beta und Tau-Protein in Schwung.
Erhöhter Anteil von HSV-Infektionen bei späteren Alzheimerkranken
In einer ihrer Analysen schauten sich die Forscher um Lövheim nun Plasmaproben von 360 Alzheimerpatienten und 360 gleich alten Personen ohne Demenz an (Alzheimers Dement 2014; S1552-5260).
Bei den Demenzpatienten waren die Proben im Schnitt zehn Jahre vor der Diagnose eingefroren worden, bei den Kontrollpersonen lag die Probenentnahme vergleichbar lange zurück.
Von den Alzheimerpatienten zeigten knapp 94 Prozent IgG-Antikörper gegen HSV-1, etwas weniger (90 Prozent) waren es bei den Kontrollen. Der Unterschied war jedoch nicht signifikant.
Erst als die Forscher Untergruppen bildeten, wurden sie fündig: So waren Alzheimerpatienten, bei denen mehr als sechseinhalb Jahre zuvor Proben eingefroren waren, deutlich häufiger IgG-positiv als Kontrollen (96 versus 90 Prozent).
Daraus ließ sich für HSV-1-Infizierte ein etwa doppelt so hohes Alzheimerrisiko berechnen wie bei den wenigen Menschen, die es zeitlebens schaffen, dem Virus aus dem Weg zu gehen.
Lövheim und Mitarbeiter vermuten daher, HSV könnte lange vor der der Demenzdiagnose eine Bedeutung in der Alzheimerpathogenese haben. Allerdings sind solche Interpretationen, die auf wenigen HSV-freien Individuen beruhen, wohl mit viel Vorsicht zu genießen.
Interessanter ist daher vielleicht eine andere Beobachtung der schwedischen Forscher: So gab es relativ betrachtet viel größere Unterschiede zwischen dem Anteil der Personen mit IgM-Antikörpern gegen HSV-1: 5,6 Prozent der Kontrollen und 7,5 Prozent der Alzheimerkranken waren IgM-positiv.
IgM-Befunde deuten auf eine reaktivierte HSV-Infektion. Dummerweise war der Unterschied hier nicht signifikant.
Vierfach erhöhtes Alzheimerrisiko
Etwas mehr Glück hatten Lövheim und Mitarbeiter bei der Analyse von Daten der Betula-Studie mit über 3400 Teilnehmern (Alzheimers Dement 2014; online 7. Oktober).
Zu Beginn waren die Beteiligten im Schnitt 63 Jahre alt und kognitiv gesund. Im Laufe von etwa elf Jahren entwickelten 245 Teilnehmer eine Alzheimerdemenz. Auch in dieser Studie hatten die Studienärzte zu Beginn Serumproben eingefroren.
Knapp drei Prozent der Teilnehmer waren IgM-HSV-1-positiv. Von diesen entwickelten 15 Prozent eine Alzheimerdemenz, nur etwa halb so hoch war der Anteil bei den IgM-Negativen (6,9 Prozent).
Ähnlich sah es bei den IgG-Positiven aus (insgesamt 88 Prozent). 7,6 Prozent der Betroffenen entwickelten eine Alzheimerdemenz, nur 3,6 Prozent waren es bei den IgG-Negativen. Signifikant war der Unterschied hier aber nur für IgM.
Rein rechnerisch wäre das Alzheimerrisiko bei HSV-Negativen etwa viermal geringer als bei solchen mit reaktivierten Viren, doch auch hier sollte man, die Signifikanzniveaus vor Augen, mit Interpretationen vorsichtig sein.
Immerhin könnte sich eine Überprüfung der HSV-Hypothese in größeren prospektiven Studien lohnen, denn gegen HSV lässt sich behandeln.
Eine antivirale Therapie für Senioren mit reaktivierten HSV wäre zumindest einmal ein neuer Ansatz bei der Alzheimerprävention.