Ebola
Hilfsorganisationen sind überfordert
In Monrovia ist die Ebola-Epidemie außer Kontrolle. Die Hilfsorganisationen sind überfordert - und die steigende Zahl an Infizierten unter den Helfern setzt sie weiter unter Druck.
Veröffentlicht:BERLIN. Gegen die Ebola-Epidemie in Westafrika müsste deutlich mehr unternommen werden, als bisher passiert. Das hat die Chefin der belgischen Sektion von Ärzte ohne Grenzen, Meinie Nicolai, beim Humanitären Kongress am Wochenende in Berlin gefordert.
Nicolai begrüßte, dass die Vereinten Nationen (UN) nun Hilfen mobilisieren und die USA Hilfstruppen senden. Doch auch andere Staaten sieht sie in der Pflicht. Die Regierungen müssten mehr unternehmen.
"Vor allem die kleineren Staaten könnten mehr tun, zum Beispiel Deutschland", sagte Nicolai. Die Hilfsorganisationen allein seien überfordert. "Wir sind spätestens vor einigen Monaten an unsere Grenzen gestoßen", sagte sie.
Patienten werden abgewiesen
"Katastrophal" ist nach Nicolais Angaben die Situationin der liberianischen Hauptstadt Monrovia. "In Monrovia ist die Situation komplett außer Kontrolle", sagte Nicolai in Berlin.
Das Ebola-Behandlungszentrum, das Ärzte ohne Grenzen dort betreibt, musste nach ihren Angaben schon bei der Eröffnung Patienten abweisen, und das sei bis heute so. Insgesamt laufen sechs Behandlungszentren von Ärzte ohne Grenzen in Westafrika.
Für weitere reichen nach Nicolais Angaben die Kapazitäten nicht. Sonst könne die Sicherheit der Helfer nicht mehr gewährleistet werden. Erstmals in ihrer Geschichte hat die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen daher militärische Hilfe angefordert, wie der Tropenmediziner Florian Steiner von der Charité betonte.
Nicolai übte auch Kritik an den Vereinten Nationen (UN) und der Weltgesundheitsorganisation WHO. Ein Ausbruch falle oft zwischen die Stühle der Zuständigkeiten. Vor allem die WHO habe zu spät und zu schwach reagiert, so Nicolai.
Diese Kritik unterstrich der Notfall-Koordinator Panu Saaristo vom Internationalen Roten Kreuz. Die Experten kämen schnell, aber sie säßen in klimatisierten Büros. Gebraucht würden Helfer, sagte er.
Bis 8. Oktober haben sich nach aktuellen WHO-Angaben 8399 Menschen in sieben Ländern mit dem Virus infiziert. 4033 starben daran. Mehr als die Hälfte der Toten wurden in Liberia registriert.
Unter den Toten sind laut WHO 233 medizinische Helfer. Mehr als 400 medizinische Helfer haben sich insgesamt mit dem Virus infiziert. Dabei handelt es sich meist um einheimische Helfer.
Doch auch internationale Helfer sind bereits betroffen. Das stellt die Hilfsorganisationen vor ein zentrales Problem bei der Anwerbung von Helfern. Sie können den Menschen, die bereit sind das Risiko einer Ansteckung mit dem Virus einzugehen, nicht garantieren, dass sie sie im Notfall aus den Hilfsgebieten ausfliegen können.
"Wir können nur versprechen, dass wir alles tun, was möglich ist", sagte Saaristo. Er unterstützte damit den Appell von Meinie Nicolai an die WHO, Abkommen mit den Staaten zu treffen, die eine Rückkehr betroffener Helfer in ihre Herkunftsländer gewährleisten.
Mittel der WHO sind begrenzt
Die Ärztin Adelheid Marschang, Senior Health Advisor bei der WHO, stellte in Frage, ob die WHO die Rolle einer globalen Gesundheitsversicherung übernehmen müsse.
Sie räumte aber auch ein, dass die Mittel der WHO für die ungeplante Unterstützung gesundheitlicher Katastrophenhilfe sehr begrenzt seien. "Wir brauchen wirklich Mittel, die es uns erlauben, schnell und effizient zu reagieren", sagte sie.
Die WHO hat nach ihren Angaben seit Mai 400 Menschen nach Liberia und Sierra Leone geschickt. Bis eine Ebola Strategie erarbeitet war, sei einige Zeit vergangen. Nach WHO-Berechnungen werden 750 internationale Helfer und 12.000 nationale Helfer gebraucht.
Besonders die zweite Zahl sei immens, wenn man bedenke, dass die Gesundheitssysteme der betroffenen Länder am Boden seien. Das bestätigte auch Nicolai.
Wenn man zu lange auf die nationalen Gesundheitssysteme baue, würden sie zusammenbrechen, warnte sie unter Verweis auf die Situation in Monrovia.
Auf die indirekten Folgen der Ebola-Epidemie in Westafrika wies der Berliner Arzt Thomas Kratz hin, der erst vor wenigen Wochen von einer Mission mit Ärzte ohne Grenzen aus Sierra Leone zurückgekehrt ist.
"Was wir niemals vergessen sollten, ist der Kollateralschaden von Ebola. Wir wissen nicht, wie hoch die Zahl der Kinder ist, die an unbehandelter Malaria zu Hause sterben, weil ihre Eltern Angst haben, sie ins Krankenhaus zu bringen, wo sie Ebola bekommen könnten", so Kratz.
Mit den schwachen Staaten in Westafrika geht es durch die Ebola-Epidemie nach Einschätzung der Hilfsorganisationen steil bergab. (ami)