Rotierende Strahlenkanone

Krebsbestrahlung von allen Seiten

Weltpremiere in Heidelberg: Erstmals geht eine drehbare Strahlenkanone in Betrieb, die mittels Schwerionenstrahlen Tumorgewebe von Krebskranken aus allen Winkeln mit messerscharfer Genauigkeit treffen kann. Der Clou: Sie rotiert um die Patienten.

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Die Gantry ist 670 Tonnen schwer, 25 Meter lang, 13 Meter im Durchmesser und drei Stockwerke hoch.

Die Gantry ist 670 Tonnen schwer, 25 Meter lang, 13 Meter im Durchmesser und drei Stockwerke hoch.

© Universitätsklinikum Heidelberg

HEIDELBERG (bd). Über 1000 Krebskranke sind im Ionenstrahl-Therapiezentrum HIT am Universitätsklinikum Heidelberg seit seiner Eröffnung im November 2009 mit Schwerionenstrahlen behandelt worden.

Jetzt geht die letzte technische Erweiterung in Betrieb - die sogenannte Gantry. Das neue Gerät macht es möglich, Krebskranke aus allen Richtungen zu bestrahlen.

Zur Einweihung am 29. Oktober haben sich Bundeswissenschaftsministerin Annette Schavan und die baden-württembergischen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer angesagt.

Das drehbare Strahlführungssystem - 670 Tonnen schwer, 25 Meter lang und 13 Meter im Durchmesser - kann die Schwerionenstrahlen äußerst präzise in Tumoren von Krebskranken schicken. Ermöglicht wird dies durch Rotation um den Patienten.

Heidelberger HIT ist nun komplett

Mit der Inbetriebnahme der rotierenden Schwerionenquelle ist das Heidelberger HIT nun komplett und eröffnet neue Therapieoptionen wie die Bestrahlung bei ungünstig lokalisierten Tumoren im Gehirn, in der Wirbelsäule, im Pankreas oder in der Lunge.

Der Ärztliche Direktor der Radioonkologie und Strahlentherapie am Uni-Klinikum und am HIT, Professor Jürgen Debus, geht aufgrund der bisherigen klinischen Ergebnisse davon aus, dass von der Schwerionentherapie insgesamt etwa zehn bis 15 Prozent der Krebspatienten profitieren können, davon jeder Dritte von der drehbaren Strahlenquelle.

Um die aufwendigen Ionenstrahlen auch in einer drehbaren Gantry nutzbar zu machen, bedurfte es einer höchst ausgeklügelten Technik.

Es galt die 140 Tonnen schwere Strahlführung auf einer Drehkonstruktion von 350 Tonnen sowie die Rasterscantechnik und die Sicherheitstechnik in dem Gerät zusammenzuführen und eine Bestrahlungspräzision von etwa einem halben Millimeter unter der Drehung um den Patienten zu erreichen.

Um dies zu bewerkstelligen, entstand die bislang wohl "komplexeste und technisch anspruchsvollste Bestrahlungsanlage weltweit", wie der wissenschaftlich-technische Direktor von HIT und Chefentwickler der Gantry Professor Thomas Haberer gesagt hat.

Die Gantry im HIT ermöglicht es nun erstmals, dass die Strahlen den Tumor aus beliebig vielen Einstrahlrichtungen mit höchster Präzision treffen.

Seit Inbetriebnahme der HIT-Anlage mit zunächst zwei horizontalen Bestrahlungsplätzen vor drei Jahren sind inzwischen rund 1200 Patienten mit Protonen und schweren Teilchen wie Kohlenstoff-Ionen bestrahlt worden. Durch die drehbare Konstruktion stehen jetzt insgesamt drei Bestrahlungsplätze zur Verfügung.

Der klinische Nutzen dieser aufwendigen und kostenintensiven Therapie mit einer Investitionssumme für die Heidelberger Anlage von 120 Millionen Euro - die Hälfte davon trägt das BMFT, die andere Hälfte die Uniklinik - wird an dem Zentrum in klinisch-wissenschaftlichen Studien überprüft. Debus: "Wir setzen konsequent auf Studien."

Mittlerweile laufen zwölf Studien

Der Patient trägt während der Bestrahlung eine Kunststoffmaske, damit Bewegungen des Körpers nicht die Behandlungsergebnisse beeinflussen.

Der Patient trägt während der Bestrahlung eine Kunststoffmaske, damit Bewegungen des Körpers nicht die Behandlungsergebnisse beeinflussen.

© Universitätsklinikum Heidelberg

Zwölf Studien wurden inzwischen schon begonnen. Generell geht es um die Fragestellung, ob bei Tumoren, die mit der herkömmlichen Strahlentherapie nicht erfolgreich behandelt werden können, die Bestrahlung mit Protonen beziehungsweise Schwerionen bessere Heilungsraten verspricht und welche der Ionenstrahlen wie Kohlenstoff-, Wasserstoff- oder Heliumionen für verschiedene Tumorentitäten am wirksamsten sind.

So wird zum Beispiel bei Schädelbasistumoren wie Chordomen und Chondrosarkomen die Wirksamkeit von Protonen und Kohlenstoff-Ionen verglichen, ebenso beim inoperablen Prostatakarzinom, wo auch die Nebenwirkungen ins Visier genommen werden.

Außerdem wird überprüft, ob die zusätzliche Ionenbestrahlung nach konventioneller Radiotherapie bei malignen Meningeomen, Speicheldrüsen- sowie Kopf-Hals- und Nasennebenhöhlentumoren die Heilungsraten und den Organ - und Funktionserhalt verbessern können.

Die Protonenbestrahlung kindlicher Tumoren wie Hirntumoren oder das Rabdomyosarkom wird am HIT schon standardmäßig durchgeführt.

Mit der Gantry ist es nun auch möglich geworden, auf der Basis der gleichen Methodik, nämlich der drehbaren Strahlführung, den Vergleich mit der konventionellen Radiotherapie hinsichtlich der Wirksamkeit der Strahlenqualität anzustellen.

Weitere Bestrahlungstechniken wie die Anpassung des Strahls an die Atembewegungen sind in der Entwicklung, die es ermöglichen sollen, "bewegte Organe" wie Lunge und Leber präzise zu bestrahlen.

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