HINTERGRUND
MRT vom Scheitel bis zur Sohle ist machbar - aber ist das auch sinnvoll? Bei kranken Gefäßen offenbar ja!
Ganzkörper-Untersuchungen mit modernen bildgebenden Verfahren werden im klinischen Alltag zunehmend eingesetzt. Beispiel Magnetresonanz-Tomographie (MRT): Durch neue Entwicklungen ist vor allem die lange als zeitraubend geltende Ganzkörper-MRT inzwischen zu einem Verfahren geworden, das auch im Routinebetrieb radiologischer Praxen machbar ist.
Eine komplette Untersuchung dauert für den Patienten etwa eine Stunde. Dazu kommt noch eine halbe Stunde Auswertung der Befunde durch Kollegen. Auf dem Röntgenkongreß in Berlin war denn auch die Ganzkörper-MRT ein Hauptthema.
Vor allem für Patienten mit Volkskrankheiten wie Atherosklerose oder Diabetes interessieren sich die Radiologen derzeit. Das verwundert nicht, denn in der Darstellung der Blutgefäße hat es die MRT in den letzten Jahren durch ihre Bildqualität, die der der invasiven Gefäßdarstellung ebenbürtig ist, zum unbestrittenen Standardverfahren gebracht.
Bei Patienten mit peripherer arterieller Verschlußkrankheit (pAVK) etwa plädieren nicht nur Radiologen, sondern auch viele Internisten dafür, zur Bestimmung des individuellen kardiovaskulären Risikos außer den Arterien auch das Herz und das Gehirn zumindest einmal als Screening zu untersuchen.
Oft findet man relevante, aber bislang nicht erkannte Befunde
Die Ganzkörper-MRT sei dafür geeignet wie kein anderes Verfahren, betonte Dr. Ulrich Kramer von der Universität Tübingen. Er berichtete in Berlin von einer Studie mit 76 Patienten mit pAVK im Stadium IIb, bei denen ein MRT-Ganzkörper-Screening gemacht wurde. Untersucht wurde, wie oft sich dadurch Therapie-Entscheidungen ändern.
Klinisch relevante, aber zuvor nicht bekannte Befunde waren häufig: Mehr als die Hälfte der Patienten hatte Gefäßläsionen in weiteren als den bereits bekannten Gefäß-Etagen. Fast jeder fünfte hatte einen stumm abgelaufenen Herzinfarkt.
Bei insgesamt vier Patienten, also fünf Prozent des Kollektivs, hatte der MRT-Befund unmittelbare therapeutische Konsequenzen: "Wir konnten zwei hochgradige Stenosen der Arteria carotis interna diagnostizieren, bei denen jeweils operiert wurde. Bei einem Patienten mit linksventrikulärem Thrombus nach einem stummen Myokardinfarkt wurde eine Ventrikulotomie gemacht. Außerdem fanden wir bei einem Patienten zufällig einen Hirntumor", so Kramers Fazit.
Mit Diabetikern befaßt sich eine Arbeitsgruppe vom Klinikum Großhadern der Ludwig Maximilians-Universität München. Die Ärzte um Dr. Harald Kramer haben 53 asymptomatische Diabetes-Patienten, bei denen jeweils seit mindestens zehn Jahren ein Diabetes mellitus Typ I oder II bekannt sein mußte, mit Ganzkörper-MRT untersucht.
Die Resultate wurden mit denen von 200 gesunden Probanden verglichen (Kontrollgruppe). Das knapp einstündige Untersuchungsprotokoll umfaßte eine Untersuchung des Herzens, des Abdomens, des Gehirns sowie eine Ganzkörper-Angiographie.
Bei jedem vierten Diabetiker war eine Gefäßintervention nötig
Auch in dieser Studie war die Zahl der zuvor unbekannten Befunde groß: Bei 27 Prozent der Diabetiker (Kontrollgruppe: sechs Prozent) fiel eine höhergradige Stenose der Arteria carotis interna auf. 21 Prozent hatten eine Nierenarterienstenose (Kontrollgruppe: 0,5 Prozent). Immerhin jeder vierte Diabetiker erhielt aufgrund der MRT-Untersuchungsergebnisse eine Gefäßintervention.
Bei jedem fünften Diabetiker ergab die MRT eine späte Kontrastmittelanreicherung (late enhancement) im Herzen und damit einen deutlichen Hinweis auf einen stumm abgelaufenen Myokardinfarkt. Sogar eine frische zerebrale Ischämie wurde bei einem Patienten diagnostiziert. Immerhin zwei Patienten (fünf Prozent) hatten eine bis dahin unbekannte Osteomyelitis als Folge eines diabetischen Fußsyndroms.
Ganzkörper-Screening bei Gesunden ist kein Thema
"Aufgrund unserer Befunde würden wir bei Diabetikern eine Ganzkörperuntersuchung empfehlen", so Kramer, der allerdings weiß, daß er damit im Moment noch keine Mehrheitsmeinung vertritt. Nötig sind größere klinische Studien, mit denen belegt wird, daß sich frühzeitige Interventionen bei asymptomatischen Patienten tatsächlich auf die Prognose auswirken. Für ein Screening bei Gesunden plädierte in Berlin niemand.
Privatdozent Heinz-Peter Schlemmer aus Tübingen betonte, daß es um ausgewählte Erkrankungen mit klar definierten Fragestellungen gehe: "Bedingung ist eine hohe Prävalenz bei den untersuchten Patienten. Für die gesuchte Krankheit müssen zudem wirkungsvolle Therapien zur Verfügung stehen."
STICHWORT
Stadien bei pAVK
Die klinische Symptomatik bei pAVK wird nach Fontaine in vier Schweregrade eingeteilt:
- I: schmerzfrei
- II: Latenzschmerz (Claudicatio intermittens); IIa: schmerzfreie Gehstrecke über 200 Meter, IIb: schmerzfreie Gehstrecke unter 200 Metern
- III: Ruheschmerz nach längerem Liegen ohne Gewebedefekt
- IV: Nekrosen oder Gangrän mit oder ohne Ruheschmerz. (eb)