Umfrage

Marathonläufer haben überraschend gesunde Gelenke

Häufig lange Stecken zu laufen, scheint den Gelenken nicht zu schaden: Marathonläufer leiden nur halb so oft an Arthrose wie der Rest der Bevölkerung.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Marathon: Nach einer US-Studie scheinen lange Laufstrecken vor Arthrose zu schützen.

Marathon: Nach einer US-Studie scheinen lange Laufstrecken vor Arthrose zu schützen.

© ChiccoDodiFC / stock.adobe.com

PHILADELPHIA. Laufen mag zwar gesund für Herz- und Kreislauf sein – aber doch nicht für die Gelenke! So lautet jedenfalls ein bekanntes Vorurteil oder auch nur eine beliebte Ausrede, um sich die Mühen eines Waldlaufs zu ersparen.

Richtig ist wohl eher das Gegenteil: Nach Resultaten einer US-amerikanischen Untersuchung werden langjährige Marathonläufer nicht mehr, sondern deutlich weniger von Arthrose geplagt als die übrige Bevölkerung.

Für ihre Untersuchung haben Orthopäden um Dr. Danielle Ponzia von der Thomas-Jefferson-Universität in Philadelphia Marathonläufer aus 31 Ländern befragt (J Bone Joint Surg Am 2018; 100: 131–137). Sie konnten Fragebögen zu 675 noch aktiven Läufern auswerten.

Diese waren im Schnitt 48 Jahre alt, liefen pro Woche knapp 60 km und beteiligten sich seit rund 20 Jahren an Marathonläufen. Im Schnitt hatten sie bisher 76 Marathons absolviert, der aktivste Läufer brachte es auf über 1000 Rennen. Sieben der Befragten liefen inzwischen mit einer Hüft- oder Kniegelenksprothese.

Immerhin 47 Prozent der Läufer gaben an, dass bei ihnen in den vergangenen zwölf Monaten Hüft- oder Knieschmerzen aufgetreten waren. 35 Prozent kannten Familienangehörige mit Arthrose.

Arthroserate altersabhängig

Eine Knie- oder Hüftgelenksarthose hatten Ärzte nach Angaben der Läufer bei 8,8 Prozent von ihnen festgestellt. Zum Vergleich: In einem ähnlich alten Ausschnitt der US-Bevölkerung liegt der Anteil mit 17,9 Prozent doppelt so hoch. 5,8 Prozent der Athleten nannten eine Kniegelenksarthrose, bei 2,1 Prozent war die Hüfte betroffen, das restliche Prozent klagte über beides.

Wie auch in der übrigen Bevölkerung ist die Arthroserate bei Marathonläufern altersabhängig. Von den über 65-jährigen noch aktiven Läufern war knapp ein Viertel betroffen, in der vergleichbar alten US-Bevölkerung sind es hingegen rund 40 Prozent.

Erwartungsgemäß korrelierten Gelenkschmerzen vermehrt mit einer Arthrose, aber auch eine familiäre Belastung erwies sich als Risikofaktor: Diese war bei den Läufern mit Arthrose etwa doppelt so häufig zu beobachten wie bei denen ohne Probleme mit ihrem Bewegungsapparat.

Den stärksten Zusammenhang gab es jedoch mit Hüft- oder Kniegelenksoperationen in der Vorgeschichte. Davon waren knapp 13 Prozent der Befragten betroffen. Von ihnen hatten wiederum 28 Prozent eine Arthrose. Nach den Berechnungen der Wissenschaftler um Ponzia ist das Arthroserisiko für Läufer mit Hüft- oder Knie-Operationen um mehr als das Fünffache erhöht.

Die Gesamtzahl der absolvierten Marathons und das wöchentliche Trainingspensum korrelierten hingegen nicht mit der Arthroserate, sofern Alter und andere Faktoren berücksichtigt wurden.

Chondroprotektive Effekte?

Zumindest nach diesen Daten scheinen Langstreckenläufe also eher vor Arthrose zu schützen, was sich damit erklären lässt, dass Läufer mehr Muskel-, Knochen- und Knorpelmasse ausbilden. Andere Studien deuteten zudem auf antientzündliche und chondroprotektive Effekte von Langstreckenläufen, so die Forscher.

Da die Studie auf freiwilligen Angaben von aktiven Läufern beruht, kann natürlich ein Selektions- und Survivalbias nicht ausgeschlossen werden: Wer aufgrund einer Arthrose nicht mehr laufen konnte, wurde nicht berücksichtigt.

Umgekehrt ist auch nicht zu erwarten, dass sich unter den aktiven Marathonläufern viele mit einer ausgeprägten Arthrose befinden. Die Studienresultate sind also mit einer gewissen Vorsicht zu interpretieren. Sie müssten nun anhand prospektiver Untersuchungen bestätigt werden.

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Kommentare
Dipl.-Psych. Manfred Becker 12.02.201818:35 Uhr

Stichprobenfehler

Das sieht nach einem Stichprobenfehler aus.
Die Normalsterblichen sind hier gar nicht mehr enthalten,da die Schmerzen sie von solchen Strecken abhalten werden. Wenn die Daten korrekt sind, sind hier nur besondere gesunde Menschen befragt worden.

Marco Schade 12.02.201808:24 Uhr

Zutreffende Vergleichsgruppe?

Die Ergebnisse von Marathonläufern mit der gesamten US Bevölkerung zu vergleichen finde ich ziemlich fragwürdig.

Naturgemäß dürften die Marathonläufer im Verhältnis zum US-Durchschnittsbürger deutlich seltener an Übergewicht leiden. Allein diese Tatsache verfälscht schon das Ergebnis. Es sollte in der Vergleichsgruppe nicht nur ein vergleichbares Alter, sondern auch ein vergleichbares Gewicht berücksichtigt werden.

Dr. Thomas Georg Schätzler 11.02.201819:58 Uhr

Symptomatische Arthrosen - Problem von Über- und Fehlernährung, Immobilität, Adipositas, Fehlhaltung!

Symptomatische Arthrosen waren tatsächlich nie das Problem von Nomaden, Jägern und Sammlern, Ackerbauern, Viehzüchtern, Handwerkern, fahrenden Händlern, Arbeitern, Angestellten und dem Militär etwa bis zum Ende des 2. Weltkriegs im letzten Jahrhundert: Dafür waren die allgemeinen Sterberisiken durch Sklavenhandel, Kriege, Massenvernichtungen, Genozide (auch die Vernichtung von Ureinwohnern in Nord-/Süd-Amerika, Asien, Australien gehört dazu), Hungersnöte, Naturkatastrophen, Umweltausbeutung, Produktions-, Arbeits- und elementare Unfallrisiken zu Fuß/Pferd/Esel/Lama/Kamel/Ochse, Schiene, Auto, Land, Wasser und auch zu Luft noch viel zu groß.

Ausschließlich kontemplierend sitzende Dichter und Denker bzw. eine zu Recht kritisierte, verfressene Banker-, Fürsten-, Großgrundbesitzer-, Ober- und Herrscher-Kaste einmal ausgenommen. Aber auch diese wurden vor 1900 im Durchschnitt nur unwesentlich älter als das gemeine, meist verarmte und unterernährte Volk der Untertanen.

Probleme von Über- und Fehlernährung, Immobilität, Adipositas, Fehlhaltungen mit symptomatischen Arthrosen als bio-psycho-soziales Massenphänomen konnten sich erst massenhaft im (Post-)Industriellen Zeitalter manifestieren: Als sich durch bio-medizinisch-sozialen-hygienischen Fortschritt in relativen Friedenszeiten die erhöhten Lebenserwartungen mit neuen Medien-, Kommunikations-, Konsum- und Informationstechnologien verschränkten.

Ein Großteil unserer Patientinnen und Patienten verfügt dank ausgeprägten Sitzenbleibens eher über eine "Ritter-Sport"-Figur ("quadratisch, praktisch, gut!") und bewegt sich in der Öffentlichkeit im langsamsten Schrittempo. Hinzu kommt, dass ihre Muskelmasse gerade noch zum Aufstehen, (vielleicht) Duschen, Anziehen, Frühstücken (im Sitzen), mit dem Auto (im Sitzen) zur Arbeit fahren, mit dem Aufzug vom Parkhaus ins Büro aufsteigen bzw. im Sitzen EDV-Tätigkeiten, Sitzungen und Berichte schreiben reicht. Um dann, völlig erschöpft, abends zu Hause im Internet Einkäufe und Lieferungen bis zur Haustür sitzend zu organisieren oder nach Absolvieren eines mehrstündigen TV-Marathons im Sitzen auf der Couch einzuschlafen.

Marathon-Langstreckenläuferinnen/-läufer scheinen von daher eher vor Arthrose gschützt zu sein, was sich damit erklären lässt, dass Läufer mehr Muskel-, Knochen- und Knorpelmasse ausbilden. Andere Studien betonen zudem antientzündliche und chondroprotektive Effekte bei aktiven Langstreckensportlern, so die Forscher. Dabei darf natürlich nicht unberücksichtigt bleiben, wer aufgrund einer bereits fortgeschrittenen Arthrose nicht mehr richtig laufen kann.

Nicht vergessen werden sollte, das Lauf- und Ausdauersportler mehr euphorisierende Endorphine bilden. Damit werden eventuelle Arthrose-Beschwerden oder -Schmerzen gar nicht mehr als solche wahrgenommen.

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund (z.Zt. London/GB)

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