Bluthochdruck
Niedriger ist gut, noch niedriger ist besser
Die SPRINT-Studie, die jetzt auf dem Kongress der American Heart Association vorgestellt wurde, setzt neue Maßstäbe: Es lohnt sich, den Blutdruck von Hypertonie-Patienten noch stärker zu senken als bisher empfohlen.
Veröffentlicht:ORLANDO. Patienten mit Hypertonie, bei denen durch eine intensivere Blutdrucksenkung im Schnitt ein systolischer Wert von 121,4 mmHg erreicht wurde, waren in der SPRINT-Studie signifikant seltener von kardiovaskulären Komplikationen einschließlich Todesfälle betroffen als Patienten, bei denen mit einer Standardtherapie eine Senkung auf 136,2 mmHg erzielt worden war.
Die klinischen Vorteile der ambitionierteren Therapie zeigten sich vor allem bei der stärkeren Reduktion von kardiovaskulär bedingten Todesfällen und der Verhinderung von Herzinsuffizienz. Auch die Gesamtsterberate wurde signifikant reduziert, wie Studienleiter Dr. Paul Whelton aus Tulane jetzt beim Kongress der American Heart Association (AHA) in Orlando berichtete.
Dass eine Senkung erhöhter Blutdruckwerte Schlaganfällen und Herzinfarkten vorbeugt, steht nach eindeutigen Ergebnissen vorangegangener Studien außer Frage. Auf der Basis vorliegender randomisierter kontrollierter Studien galt aber bislang nur als sicher, dass eine Absenkung auf Werte unter 150 mmHg prognostisch von Vorteil ist. Wo unterhalb dieser Schwelle der optimale Zielwert für die antihypertensive Therapie anzusiedeln ist, blieb unklar.
In der SPRINT-Studie sollte daher versucht werden, den Zielwert auszuloten. Die Studie ist in den USA mit finanzieller Unterstützung des National Heart Lung and Blood Institute (NHLBI) auf den Weg gebracht worden.
Verglichen wurden zwei antihypertensive Strategien, für die ein systolischer Blutdruckzielwert von unter 120 mmHg (intensive Therapie) oder unter 140 mmHg (Standardtherapie) vorgegeben war. Geplant war eine Laufzeit von rund fünf Jahren.
Studie wurde vorzeitig gestoppt
Am 20. August 2015 ist die Studie nach einer Zwischenanalyse, die signifikante Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen aufdeckte, vorzeitig gestoppt worden. Die mittlere Dauer der Nachbeobachtung betrug zu diesem Zeitpunkt 3,26 Jahre.
Der primäre Studienendpunkt setzte sich aus den Ereignissen Herzinfarkt, akutes Koronarsyndrom ohne Herzinfarkt, Schlaganfall, akute dekompensierte Herzinsuffizienz und kardiovaskulär bedingter Tod zusammen.
Zum Zeitpunkt des Studienabbruchs war die Zahl der Ereignisse in der intensiv behandelten Gruppe signifikant um 25 Prozent niedriger als in der Gruppe mit Standardtherapie (243 versus 319 Ereignisse; Rate: 1,65 versus 2,19 Prozent pro Jahr).
Mortalität um 27 Prozent verringert
Zwei jeweils signifikante Unterschiede waren dafür entscheidend: Zum einen wurde das Risiko für Herzinsuffizienz relativ um 38 Prozent verringert (62 versus 100 Ereignisse), zum anderen die Zahl kardiovaskulär bedingter Todesfälle relativ um 43 Prozent reduziert (37 versus 65 Ereignisse). Auch die Gesamtmortalität wurde signifikant um 27 Prozent gesenkt (155 versus 210 Ereignisse).
Im Hinblick auf Schlaganfälle und Herzinfarkte ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Behandlungsstrategien.
Den absoluten Nutzen veranschaulichte Whelton anhand folgender NNT-Werte (number needed to treat): 61 Patienten mussten rund drei Jahre lang auf die niedrigeren Blutdruckwerte eingestellt werden, um ein klinisches Ereignis des primären Endpunktes zu verhindern. Zu Verhinderung eines Todesfalls bedurfte es einer entsprechenden Behandlung von 90 Patienten.
Zunahme renaler Veränderungen
Die intensivere Therapie ging nicht überraschend mit einer Zunahme unerwünschter Effekte einher. Ereignisse wie Hypotension, Synkopen, Elektrolytveränderungen, Nierenschädigung oder akutes Nierenversagen traten in dieser Gruppe häufiger auf als in der Gruppe mit Standardtherapie.
Eine Zunahme von zu Verletzungen führenden Stürzen war dagegen nicht zu verzeichnen. Die Rate der potenziell oder definitiv mit der jeweiligen Intervention in Zusammenhang stehenden schweren unerwünschten Effekte war bei stärkerer Blutdrucksenkung signifikant höher (4,7 versus 2,5 Prozent).
In der Subgruppe der Patienten, die schon zu Beginn eine Nierenerkrankung aufwiesen, war der Anteil der Patienten mit sich verschlechternder Nierenfunktion gleich. Bei Patienten ohne Nierenerkrankung war eine Störung der Nierenfunktion (Abfall der GRF um 30 Prozent oder mehr auf Werte unter 60 ml/min) dagegen unter intensiver Blutdrucksenkung häufiger (127 versus 27 Ereignisse; Rate: 1,21 versus 0,35 Prozent pro Jahr). Dazu soll es noch genauere Untersuchungen geben.
Nur ein Blutdrucksenker zusätzlich
Den Unterschied bei der Blutdrucksenkung machte nur ein zusätzliches Medikament aus, betonte Whelton: Während zur Standardtherapie im Mittel 1,8 Blutdrucksenker verordnet wurden, waren es bei intensiver Therapie 2,8. Verbindliche Vorgaben für die Wahl bestimmter Wirkstoffklassen gab es nicht.
Allerdings enthielt das Studienprotokoll die - nicht verpflichtende - Empfehlung, Wirkstoffe mit Evidenz für eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse zu wählen.
In die Studie waren 9369 Patienten mit systolischen Blutdruckwerten im Bereich zwischen 130 und 180 mmHg aufgenommen worden. Alle Studienteilnehmer mussten mindestens noch einen weiteren kardiovaskulären Risikofaktor aufweisen. Personen mit Diabetes mellitus und einem Schlaganfall in der Vorgeschichte waren allerdings von der Teilnahme ausgeschlossen. Für diese Risikogruppen haben die SPRINT-Ergebnisse somit keine Geltung.