Masern

Nur jedes dritte Kind rechtzeitig geimpft

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BERLIN. Nur 37 Prozent der Kinder erhalten vor ihrem zweiten Geburtstag die empfohlene Doppel-Impfung gegen Masern, teilen Forscher vom Versorgungsatlas der Kassenärztlichen Vereinigungen mit. Am schlechtesten seien die Raten in Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und Bremen.

Analysiert wurden Daten von etwa 550.000 Kindern (81 Prozent des Geburtsjahrgangs 2008). In dieser Population sind 14.000 bis 23.000 Kinder, die eine Erstimpfung bekommen haben, bis zur Zweitimpfung nicht geschützt, obwohl die Eltern das denken, so Studienautorin Maike Schulz.

Bei drei bis fünf Prozent der Kinder schlägt nämlich die erste Impfung nicht an, die zweite Dosis ist daher wichtig.

"Impflücken bei Kleinkindern können beispielsweise in Kindertagesstätten fatale Folgen haben, wenn die Infektion bei einem lokalen Masernausbruch eingeschleppt wird", warnte die Leiterin der Forschergruppe des Versorgungsatlas, Sandra Mangiapane, in einer Mitteilung.

Die Begründungen von Eltern, warum sie ihre Kinder nicht zweimal gegen Masern impfen lassen, sind laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov unterschiedlich: "Gilt für mich als Kinderkrankheit, die man durchmachen kann und muss", lautete eine Erklärung.

Forscher warnen jedoch davor, die Impfungen auszulassen. Masern gelten als eine der ansteckendsten Krankheiten überhaupt. Schwere Komplikationen sind selten, aber es gibt sie. Im Juni starb ein 14-Jähriger an den Spätfolgen einer Infektion.

Er hatte sich als Säugling in einem Wartezimmer mit Masern angesteckt, weil ein nicht geimpftes Kleinkind die Krankheit weitertrug. Auch ein als Säugling angestecktes Mädchen starb Jahre später durch diese Wartezimmer-Infektion.

Die jüngsten Masern-Ausbrüche zeigen nach Angaben der Forschergruppe, dass die Impfquoten in Deutschland zu niedrig liegen und der Impfschutz in vielen Regionen sehr löchrig ist.

In Erftstadt bei Köln musste vor kurzem eine Waldorfschule geschlossen bleiben, nachdem dort mehr als zehn Schüler an Masern erkrankt waren. Nur ein Viertel der Schüler konnte einen Impfschutz nachweisen.

Allein im ersten Halbjahr 2013 wurden dem Berliner Robert Koch-Institut (RKI) mehr als 1070 Fälle gemeldet, der Großteil davon in Bayern (478) und Berlin (400). Laut einer aktuellen Schätzung des RKI waren in diesem Jahr zum Stichtag am 14. Juli bereits 1207 Menschen an den Masern erkrankt.

Das Bundesgesundheitsministerium prüft derzeit, wie die Ausbreitung der Masern verringert werden kann.Nach den Ergebnissen der repräsentativen online durchgeführten YouGov-Umfrage im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa ist eine deutliche Mehrheit von 76 Prozent der Befragten für eine deutschlandweite Impfpflicht gegen bestimmte Krankheiten.

Ärztevertreter und Politiker hatten zuletzt verpflichtende Schutzimpfungen ins Gespräch gebracht, darunter zwischenzeitlich auch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP). Zudem erwägt das Gesundheitsministerium, nichtgeimpfte Schüler bei einem Masern-Ausbruch in ihrer Schule künftig auf Zeit vom Unterricht auszuschließen.

Bisher geht das nur bei bereits erkrankten Kindern.Die Meinungsforscher befragten vom 12. bis 15. Juli insgesamt 1051 Bürger ab 18 Jahren. Unter anderem fragten sie auch Eltern, die ihre Kinder nicht vor dem zweiten Geburtstag doppelt impfen lassen, nach deren Begründungen dafür.

Früher sei die Doppel-Impfung unüblich gewesen, antworteten einige der Befragten. Kinderärzte hätten das nicht empfohlen oder sogar abgeraten. Andere gaben allerdings an, "Impfgegner" zu sein und Impfungen für einen "der zahlreichen Irrglauben unserer Wissenschaft" zu halten. (dpa)

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Kommentare
Heike Thiesemann-Reith 18.07.201309:13 Uhr

Sind hauptsächlich die Eltern schuld?

Hand auf''s Herz: Wer praktiziert systematischen Recall für seine Impflinge? Wer traut sich, Säuglinge trotz banaler Erkältung zu impfen? (Praxisanleitung dazu von der DAKJ, März 2013). Wer von den Niederglassenen nutzt die Vorsorgen konsequent, um einen altergerechten Impfschutz herzustellen? (Daten aus Schleswig-Holstein bestätigen jedes Jahr, dass dies sehr unzureichend passiert.) In Westdeutschland impfen rund ein Drittel der Ärzte7innen NICHT nach STIKO - auch Kinderärzte! (Bruns et al. 2008). Laut Umfrage der BZgA (2010) unter 3002 Eltern 0- bis 13-jähriger Kinder gaben sogar eher impfskeptische Eltern zu 15% an, eine Impfung sei unterblieben, weil sie vergessen wurde (Mehrfachnennungen waren möglich). Natürlich wählen solche Eltern sich den entsprechenden Arzt/Ärztin: Zu 41% unterblieb bei diesen Eltern eine Impfung, weil der Arzt/die Ärztin davon abriet. Aber echte Impfgegner, so bestätigte auch die BZgA-Umfrage unter 4485 Erwachsenen (16-85 Jahre) von 2012, haben wir zu weniger als 5%. Vorbehalte der einen oder anderen Art haben jedoch rund ein Drittel der Bevölkerung. Die Ärzteschaft gehört anscheinend dazu. Ich zitiere eine/n Impfexperten/in anonym: "Seit fast 20 Jahren mache ich Impffortbildungen bei Kollegen und bin der festen Überzeugung, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Kollegen "impfmüde" ist, keineswegs die Bevölkerung! Ein wichtiger Schritt, um diesem Manko abzuhelfen, wären zum Beispiel verpflichtende (hier wirklich verpflichtend!) Impfkurse in der Medizinerausbildung."
Unsere Impfraten liegen nicht nur in den Händen der Niederglassenen, der Nationale Impfplan führt alle Defizite explizit auf. Aber Sie haben erheblichen Einfluss - nutzen Sie ihn!
Heike Thiesemann-Reith
(Chefredaktion www.impfbrief.de)

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