Mit Hilfe von Hausärzten
Parkinson früher erkennen
Erste, unspezifische Symptome treten bei Parkinsonpatienten oft schon Jahre vor der Diagnose auf, haben britische Forscher herausgefunden. Mit gezielten Untersuchungen beim Hausarzt könnte die Erkrankung künftig früher erkannt werden.
Veröffentlicht:LONDON. Wie bei vielen anderen neurodegenerativen Krankheiten ist auch bei Morbus Parkinson im Gehirn bereits zu viel zerstört, als dass neuroprotektive Therapien zum Zeitpunkt der Diagnose noch viel ausrichten könnten.
Schätzungsweise die Hälfte bis zwei Drittel der dopaminergen Neuronen in der Substantia nigra sind bereits untergegangen, wenn Ärzte die Krankheit eindeutig feststellen.
In anderen Hirnregionen sind die Verheerungen durch akkumuliertes Alpha-Synuclein in spezifischen Zellpopulationen mitunter noch schlimmer.
Eine kausal wirksame Parkinsontherapie, sollte sie eines Tages zur Verfügung steht, müsste also um Jahre früher beginnen.
Da es bisher keine hochspezifischen Marker gibt, um die Patienten bereits in der Prodromalphase zu erkennen, sind Ärzte auf klinische Symptome angewiesen.
Wüsste man, wann im Krankheitsverlauf welche Parkinsonbeschwerden gehäuft auftreten, ließen sich diejenigen mit einem hohen Erkrankungsrisiko besser erkennen und in Zukunft vielleicht auch rechtzeitig behandeln.
Aus diesem Grund interessieren sich Forscher seit geraumer Zeit verstärkt für Parkinson-Frühsymptome. Von diesen sind zwar einige recht spezifisch - etwa eine REM-Schlaf-Verhaltensstörung, eine Hypo- oder Anosmie.
Allerdings sind solche Beschwerden so selten, dass das Gros der künftigen Parkinsonkranken damit nicht erfasst wird.
Daten von 8700 Parkinsonkranken analysiert
Einen anderen Ansatz wählten nun Neurologen um Anette Schrag vom Londoner University College: Sie setzten auf Hausärzte als erste Anlaufstelle für Patienten mit Parkinson-Frühsymptomen und suchten in einer großen Datenbank nach unspezifischen, aber dafür häufigen Symptomen bei späteren Parkinsonpatienten (Lancet Neurol 2014; 14: 57-64).
Damit wollten sie herausfinden, ob es ein bestimmtes Muster solcher Symptome gibt, das auf ein hohes Parkinsonrisiko deutet.
Anhand eines solchen Musters ließen sich vielleicht deutlich mehr Parkinsonpatienten früh erkennen als über die spezifischeren, aber dafür selteneren Marker.
Als Basis diente ihnen die Datenbank THIN (The Health Improvement Network). In diese fließen anonymisierte Berichte aus Allgemeinarztpraxen zu rund elf Millionen Briten ein.
Daten von 8100 Parkinsonpatienten
Darin enthalten sind neben Behandlungen, Überweisungen, Diagnosen und Medikamentenverordnungen auch Angaben zu diversen Symptomen.
Die Forscher um Schrag wählten nun über 8100 Parkinsonpatienten aus, zu denen Daten über mindestens ein Jahr vor der Diagnose vorlagen.
Jedem dieser Patienten stellten sie bis zu sechs Patienten aus derselben Hausarztpraxis mit vergleichbarem Alter, gleichem Geschlecht und einem ähnlichen Behandlungszeitpunkt gegenüber.
Nun schauten sie bei den etwa 47.000 Kontrollpersonen und Parkinsonpatienten in den Jahren vor der Diagnose nach 15 Symptomen, die aufgrund bisheriger Erkenntnisse im Parkinsonprodrom gehäuft vorkommen.
Zu diesen Symptomen zählen etwa motorische Auffälligkeiten, Fatigue, Depression, Angstzustände, erektile Dysfunktion (ED), Schlaf- und Gedächtnisprobleme sowie Schulter- und Nackenschmerzen.
Zehn Jahre vor der Diagnose klagt jeder Fünfte über Verstopfung
Zehn Jahre vor der Parkinsondiagnose waren die Parkinsonpatienten nach diesen Daten noch weitgehend unauffällig.
Die meisten unspezifischen Prodromalsymptome traten bei ihnen nicht häufiger auf als bei den Kontrollpersonen - mit zwei Ausnahmen: Bei immerhin 2 Prozent der späteren Parkinsonkranken war zu diesem Zeitpunkt bereits ein Tremor vermerkt worden, bei den Kontrollen trat ein Tremor etwa achtfach seltener auf.
Eine Obstipation wurde zu diesem Zeitpunkt bei jedem fünften Parkinsonpatienten, aber nur bei jedem Siebten der Vergleichspersonen festgestellt.
Zwei bis fünf Jahre vor der Diagnose hatten immerhin 7 Prozent der Parkinsonpatienten bereits einen Tremor und jeder Vierte eine Verstopfung. Über Schwindel klagten 10 Prozent, aber nur 6 Prozent in der Kontrollgruppe.
Auch Gleichgewichtsstörungen, Hypotonie, ED, Depressionen, Angststörungen und Probleme beim Wasserlassen wurden nun deutlich häufiger als bei den Kontrollpersonen beobachtet, traten jeweils aber bei weniger als 10 Prozent der später Erkrankten auf.
Alle Symptome deutlich häufiger zu finden
In den zwei Jahren vor der Diagnose hatte sich das Bild dann dramatisch geändert: Mit Ausnahme von Schulterschmerzen- und Verspannungen waren alle der untersuchten Symptome deutlich häufiger zu finden als bei den Kontrollpersonen.
Einen Tremor beklagten nun 41 Prozent, eine Verstopfung 32 Prozent, Fatigue 11 Prozent, Schwindel und Depression waren bei jeweils 10 Prozent vermerkt worden.
Die Prävalenz der meisten unspezifischen Prodromalsymptome war damit zwei- bis dreifach höher als in der Kontrollgruppe, der relativ spezifische Tremor trat sogar 32-fach häufiger auf.
Die Forscher um Schrag schließen daraus, dass Patienten mit einem hohen Risiko, in den folgenden Jahren Parkinson zu entwickeln, durch ein gründliches Screening in Hausarztpraxen erkannt werden könnten.
Den Patienten würde dies zwar zunächst nicht viel nützen, aber auf diese Weise ließen sich immerhin Teilnehmer für Präventionsstudien gewinnen.