Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung

Psychische Folgen der Pandemie bei Jugendlichen gravierender als angenommen

Jeder vierte Jugendliche wies nach dem ersten Lockdown depressive Symptome auf. Dabei gebe es deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. So das Ergebnis einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung.

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Symbolbild: Mädchen machte der Lockdown offenbar mehr zu schaffen als Jungs.

Mädchen machte der Lockdown offenbar mehr zu schaffen als Jungs.

© fizkes / stock.adobe.com

Wiesbaden/Berlin. Die Auswirkungen von Schulschließungen in der Corona-Pandemie auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen in Deutschland sind einer neuen Studie zufolge gravierender als bisher angenommen.

„Durch die Pandemie sind zusätzlich 477.000 Jugendliche im Alter von 16 bis 19 Jahren von depressiven Symptomen betroffen“, sagte Martin Bujard vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden am Mittwoch bei einer digitalen Pressekonferenz.

Das sei eine „erhebliche Größenordnung“, auch wenn es sich um Selbsteinschätzungen handele und nicht alle Betroffenen auch „krank geworden“ seien. Die Symptome reichten von stillem Rückzug bis zu Verhaltensauffälligkeiten und Essstörungen. Zudem gebe es bei vielen Kindern und Jugendlichen „erhebliche Lernrückstände“.

Mädchen häufiger betroffen

Das BiB rechnete Daten des deutschen Familienpanels pairfam hoch, die den Vergleich im längeren Zeitverlauf zulassen. Vor der Pandemie hatten demnach zehn Prozent der Jugendlichen von 16 bis 19 Jahren depressive Symptome gehabt, am Ende des ersten Lockdowns waren es 25 Prozent.

Dabei gebe es deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Bei weiblichen Jugendlichen kam es demnach zu einem Anstieg depressiver Symptome von 13 auf 35 Prozent durch Schulschließungen in der Pandemie, bei den männlichen Jugendlichen zu einem Anstieg von sieben auf 15 Prozent.

Von Auswirkungen der Schulschließungen auf die psychische Gesundheit seien insbesondere Mädchen und auch Jugendliche mit Migrationshintergrund häufiger betroffen, sagte Bujard. „Das Offenhalten der Schulen sollte deshalb hohe Priorität haben, damit sich psychische Belastung und Lernrückstände nicht noch weiter verstärken können.“

Lernzeit ging deutlich zurück

Wie Kerstin Ruckdeschel, Familienforscherin am BiB, erklärte, hat sich die Lernzeit während des Lockdowns erheblich reduziert. Während sie vor dem Lockdown rund 7,5 Stunden betragen habe, habe sie sich teilweise während der Schulschließungen halbiert.

Teilweise hätten die Schülerinnen und Schüler aber angegeben, zu Hause konzentrierter lernen zu können. Um Lernrückstände genauer beurteilen zu können, sei eine Lernstandserhebung notwendig, so Ruckdeschel.

Sie betonte weiter, es sei wichtig, Schülerinnen und Schüler nicht zu stark unter Druck zu setzen. Neben möglichst viel Präsenzunterricht seien vermehrte Sozialarbeit, Familienberatung sowie Sportangebote wichtig.

Wissenschaftler: Keine „verlorene Generation“

Je nach Alter der Kinder und Jugendlichen und je nach Bundesländern habe sich die Schließung von Kitas und Schulen erheblich unterschieden, so die Wissenschaftler. Im ersten Lockdown ab März 2020 habe es eineinhalb Monate vollständige Schulschließungen und noch weitere zwei Monate eine partielle Schließung gegeben.

Im zweiten Lockdown ab Dezember 2020 habe es eine vollständige Schulschließung von zwei Monaten und dann noch dreieinhalb Monate eine partielle Schulschließung gegeben.

Pauschal könne man aber nicht von einer „verlorenen Generation“ sprechen, da rund zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen „trotz mancher Schwierigkeiten relativ gut durch die bisherigen pandemiebedingten Einschränkungen gekommen“ seien, heißt es. (kna)

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