Schlaganfall-Tsunami rollt auf uns zu

HANNOVER (cin). Apoplexie ist ein medizinischer Tsunami, der in den nächsten Jahrzehnten auf Deutschland zurollen wird. "Und wir haben noch keine Lösungskonzepte" sagte Professor Martin Grond aus Siegen beim 1. Deutschen Schlaganfallkongress in Hannover.

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Mit dieser Fortbildungs-Veranstaltung sind nun erstmals Experten aus allen Gesundheitsbereichen - vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) bis zum Hausärzteverband - zusammengeführt worden.

"Bislang haben alle Parteien ihr eigenes Süppchen gekocht. Die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft und die Deutsche Schlaganfallhilfe wollten endlich für alle Gruppen eine gemeinsame Plattform schaffen", so Grond, der gemeinsam mit Dr. Brigitte Mohn von der Deutschen Schlaganfallhilfe die Kongresspräsidentschaft übernommen hat. Und das ist - so der einstimmige Tenor - auch gelungen.

Die beiden Gesellschaften haben Vertreter, etwa der Neurologen, der Beteiligten der Schlaganfall-Spezialstationen, des Rettungsdienstes, von Kommunikationsunternehmen, Hausärztevertreter, der Pharmazie und Politik gemeinsam auf die Bühne geholt. 320 Teilnehmer konnten Einblicke in die Aufgaben der jeweiligen Parteien gewinnen, den Rednern Fragen stellen und mit ihnen diskutieren.

So hat etwa einer der anwesenden Kollegen den Dozenten Dr. Hans-Ulrich Euler von dem MDK Hessen auf die manchmal scheinbar willkürlichen Beurteilungen eines MDK-Mitarbeiters angesprochen, der in der Klinik, in der Euler arbeitet, die Patienten-Akten sichtet.

"Das ist eigentlich nicht möglich, da es definierte Bewertungskriterien gibt, die abgearbeitet werden" entgegnete Euler. Sein Lösungsvorschlag: Wenn es Probleme mit einzelnen Ärzten vom MDK gibt, eventuell direkt beim Landesverband, etwa in Hessen, vorzusprechen.

Diese Antwort hatte direkt die Kritik eines weiteren Kollegen hervorgerufen: Er würde etwa drei Tage seiner Arbeitszeit pro Monat opfern, um mit MDK-Mitarbeitern die Akten durchzusprechen. Wenn, so der empörte Kollege, nur definierte Bewertungskriterien abgearbeitet würden, könne er künftig diese Zeit sinnvoller in seine Arbeit mit den Patienten investieren. "Die Expertise von behandelnden Ärzten ist auf jeden Fall notwendig", so Euler. Natürlich gebe es definierte Bewertungskriterien, aber im Einzelfall zähle das Urteil des behandelnden Arztes.

Grond hat im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" auf die große Bedeutung hingewiesen, die niedergelassene Kollegen für Schlaganfall-Patienten haben. Ohne sie könne die Rehabilitation nicht optimal funktionieren. Wichtig ist, dass Apoplexie-Patienten, sobald sie wieder in ihr Alltagsleben zurückkehren, weiter eine gute Betreuung erhalten, erinnerte der Neurologe.

Die Sekundärprävention ist die Domäne der Hausärzte

Und Erfolge in der Sekundärprävention könnten fast ausschließlich in Hausarztpraxen erzielt werden. So trage etwa die optimale Überprüfung und Einstellung des Blutdrucks oder die Antikoagulation etwa bei Patienten mit Vorhofflimmern dazu bei, dass Reinsulte verhindert werden. Dies könne die Akutversorgung nicht leisten.

Gronds Fazit beim Schlaganfall-Kongress: Der Schlaganfallkongress bietet die Möglichkeit, Dialoge zwischen allen beteiligten Parteien zu eröffnen, Kooperationen anzuregen und in letzter Konsequenz die Schlaganfallversorgung effizienter zu gestalten. Und im Endeffekt bedeutet eine effizientere Schlaganfallversorgung auch eine kostengünstigere Versorgung.

Zur Person

Professor Martin Grond ist Chefarzt der Neurologie am Kreiskrankenhaus Siegen. Seit dem 1. Januar 2006 ist er Präsident der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG). Grond ist zudem Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). (cin)

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