Eiweiß nicht gleich Eiweiß
Sterben Fleischesser früher?
Die Lust auf Fleisch ist weltweit ungebrochen, auch wenn hierzulande sich immer mehr Menschen fleischlos ernähren – zumindest Teilzeit. Eine Studie fand heraus: Tierisches Eiweiß erhöht das Sterberisiko. Forscher sind sich aber unschlüssig, ob die Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung übertragen werden können.
Veröffentlicht:BOSTON. Frühere Untersuchungen haben bereits ergeben, dass es gesund ist, Kohlenhydrate durch Proteine zu ersetzen, heißt es in einer Pressemitteilung der Harvard Medical School in Boston (Massachusetts / USA). Mingyang Song und Kollegen nutzten nun die Daten von zwei Langzeitstudien, die die Gesundheit und die Ernährungsgewohnheiten von Berufstätigen im Gesundheitssektor aufzeichneten (Jama Intern Med 2016, online 1. August).
Sie werteten die Datensätze von 85.013 Frauen und 46.329 Männern aus. Für die Frauen waren Daten von 1980 bis 2012 verfügbar, für die Männer von 1986 bis 2012.
Die Probanden berichteten per Fragebogen alle zwei Jahre über ihren Lebensstil und ihre Gesundheit und alle vier Jahre detailliert über die Lebensmittel, die sie durchschnittlich zu sich nahmen.
Fleischkonsum vor allem riskant bei bereits vorhandenen Gesundheitsbelastungen
Während der Studien starben 36.115 der Teilnehmer, 8851 durch Herz-Kreislaufkrankheiten, 13.159 durch Krebs und 14.105 durch andere Ursachen. Die Forscher setzten die Ernährungsdaten in Bezug zu den Todesursachen und fanden einen Zusammenhang zwischen der Menge an tierischem Protein und dem Sterberisiko.
Bei Übergewichtigen und denen, die viel Alkohol tranken, war der Zusammenhang besonders ausgeprägt. Das Team errechnete auch, wie sich Zu- und Abnahme von tierischen und pflanzlichen Proteinen in der Ernährung auf das Sterberisiko auswirkt.
Nach Bereinigung der Risikofaktoren aus Lebensstil (Zigaretten, Alkohol, Übergewicht, Bewegung) und Ernährung ergab sich: Wenn der Anteil an tierischem Protein um zehn Prozent im Verhältnis zur gesamten Kalorienaufnahme zunimmt, erhöht sich das Sterberisiko allgemein um zwei Prozent, das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, sogar um acht Prozent.
Im Gegensatz dazu sinkt das Sterberisiko um zehn Prozent, wenn drei Prozent mehr pflanzliches Protein in der Nahrung enthalten sind.
Lieber Eier und pflanzliches Eiweiß essen
Noch deutlicher sind die Zahlen, wenn ein Teil der tierischen Proteine durch pflanzliche ersetzt werden. Dabei lohnte sich besonders die Nahrungsumstellung von verarbeitetem Rinder- und Schweinefleisch (zum Beispiel Würstchen) und Ei auf pflanzliche Proteine.
"Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Leute in Betracht ziehen sollten, mehr pflanzliche Proteine zu essen, und wenn sie unter den Quellen für tierisches Protein auswählen, sind Fisch und Hühnchen sicherlich die bessere Wahl", wird Song in der Mitteilung zitiert.
Das Studienergebnis ist für Heiner Boeing vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke nicht überraschend. Es bestätige die Forschung mit Langzeitdaten, an dem sein Institut beteiligt ist. "Zwei renommierte Langzeitstudien stellen die Grundlagen dar und die statistische Analyse und Auswertung sind sehr umsichtig vorgenommen worden", so Boeing.
Boeing sagt zudem: "Die Studie zeigt, dass Pflanzen eine sehr gute Eiweißquelle sind und dass zu den ökologischen Problemen der Fleischproduktion auch noch ein Gesundheitsrisiko beim Fleischverzehr hinzukommt."
Fraglich, ob Studie auf allgemeine Bevölkerung übertragen werden kann
Auch Bernhard Watzl vom Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel in Karlsruhe, hält die zugrunde liegenden Erhebungen für "wissenschaftlich sehr gut gemacht".
Allerdings sei fraglich, ob die Ergebnisse auf die Allgemeinbevölkerung übertragbar sind, weil alle Probanden im medizinischen Umfeld berufstätig seien.
Watzl weiter: "Gegenwärtig empfehlen einige Experten eine hohe Proteinzufuhr, unter anderem als Maßnahme zur Gewichtsreduktion. Allerdings sind die Langzeiteffekte einer solchen Ernährung nicht bekannt." Hier gebe die Studie wichtige Hinweise auf gesundheitliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Proteinquellen. (dpa)