Kampf gegen Diabetes

Steuer auf Fett und Zucker gefordert

Jeder zweite Erwachsene und 1,7 Millionen Kinder in Deutschland sind zu dick und in Gefahr, zuckerkrank zu werden, kritisieren Diabetesverbände. Mit einer neuen Kampagne erhöhen sie jetzt den Druck auf die Politik. Ihr Ziel: Ein Nationaler Diabetesplan.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Chips - schön lecker, aber leider mit einer Menge Kalorien.

Chips - schön lecker, aber leider mit einer Menge Kalorien.

© Gero Breloer / dpa

BERLIN. Die Diabetesverbände in Deutschland wollen die Zuckerkrankheit zum Wahlkampfthema machen.

Sie fordern von der nächsten Regierung eine Steuer auf Fett und Zucker, täglichen Schulsport, eine verständliche Nährwertkennzeichnung und ein Werbeverbot für übergewichtsfördernde Lebensmittel.

"Sechs Millionen Diabeteskranke sind sechs Millionen Wähler, die für ihre Erkrankung abstimmen sollten," sagte der Vorstandsvorsitzende der Diabetes-Hilfe, Professor Thomas Danne, am Dienstag in Berlin.

Druck auf Regierung ausüben

Danne stellte die Kampagne "Diabetes stoppen - jetzt!" der Deutschen Diabetes Gesellschaft und des Verbands der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe vor.

Ziel der Informationsoffensive sei es, die nächste Regierung zum Aufbau einer Nationalen Diabetes-Strategie zu bewegen.

Dazu solle auch der Ausbau der Versorgungsforschung mit dem Aufbau eines Diabetesregisters und die Stärkung der Selbsthilfe mit Stimmrecht im Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) zählen.

Die Aussichten sind düster. Die Zahl der diabetologischen Lehrstühle sinkt. Die Zahl der Krankenhäuser mit zertifizierten Diabetesabteilungen nehme ab, sagte der Vizepräsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft, Dr. Erhard Siegel. Nach wie vor gebe es keinen Facharzt für Innere Medizin und Diabetologie.

An der Ärztebasis gibt es nun eine Reaktion auf die Entwicklung. Der Deutsche Hausärzteverband und die Diabetologischen Schwerpunktpraxen sind derzeit in Gesprächen mit den Krankenkassen über ein Modell der sektorenübergreifenden Patientenbetreuung.

Dabei handele es sich um Verträge nach Paragraf 140b, die an Hausarztverträge angedockt werden sollen, erklärte der Vorsitzende des Verbandes, Dr. Ulrich Weigeldt.

Bewegungsmöglichkeiten über die Stadtentwicklung schaffen

"Das Thema ist in der Politik erkannt, passiert ist wenig," kommentierte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, den Vorstoß der Diabetesverbände. Sie plädierte für ein Präventionsgesetz.

Damit sollten die Kassen verpflichtet werden, mehr für die Vorbeugung von Volkskrankheiten wie Diabetes zu tun. Einer neuen Steuer erteilte sie eine Absage.

Eine Abgabe auf Fett und Zucker steuere nichts, sagte Künast. Wichtiger sei, über die Stadtentwicklung Bewegungsmöglichkeiten zu schaffen sowie die Werbemöglichkeiten der Lebensmittelwirtschaft einzuschränken.

"Es rollt ein Tsunami auf uns zu", warnte der CDU-Gesundheitspolitiker Dietrich Monstadt. Ansätze für eine erfolgreiche Strategie könnten allerdings nicht alleine in der Gesundheitspolitik liegen.

Er sprach sich dafür aus, das Konsumverhalten gesetzlich zu steuern und einen Präventionsbeauftragten einzusetzen.

Kritik am Beschluss zu Linagliptin

Die Entscheidung des GBA, dem Blutzuckersenker Linagliptin keinen Zusatznutzen zuzumessen, halten die Sprecher der Diabetes-Verbände für einen Ausdruck eines "forschungs- und innovationsfeindlichen Kurses", der "katastrophale Folgen" für die Versorgung der an Diabetes erkrankten Menschen zeitigen könne.

Die Vertreter der Fachgesellschaft kritisieren, dass der Beschluss unter anderem gefasst worden sei, weil es keine Studie gebe, in der das Gliptin mit einem Sulfonylharnstoff verglichen werde. Diese Harnstoffe seien bei der Behandlung von Diabetes Typ 2 aber längst nicht mehr das Mittel der ersten Wahl.

Der stellvertretende Vorsitzende der Diabetes-Hilfe, Dr. Christian Berg, warnte vor der Signalwirkung dieses Beschlusses.

Er könne dazu führen, dass Gliptine künftig zwar den Patienten im europäischen Ausland auf Kassenkosten zur Verfügung stünden, den 650000 Menschen in Deutschland aber nicht mehr, die derzeit mit Gliptinen behandelt würden.

Die Politik sei gefordert, dafür zu sorgen, dass diese Medikamente für Kassenpatienten verfügbar blieben, sagte die Vorsitzende des Verbandes niedergelassener Diabetologen, Dr. Eva-Maria Fach.

Auch die Einordnung der Insuline in Festbetragsgruppen gefährde möglicherweise die Versorgung, wenn die Betroffenen verpflichtet werden sollten, die Differenz zwischen Humaninsulin und den teureren Analoga selbst zu bezahlen oder sich auf Humaninsulin umstellen zu lassen, hieß es von Seite der Selbsthilfegruppen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Konkrete Diabetes-Ziele

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