UNICEF - vom "Welt-Milchmann" zum wichtigsten Anwalt der Kinder
Als "Milchmann der Welt" linderte sie in den Nachkriegsjahren die größte Not der Kleinsten. Heute ist sie die wichtigste Kinderrechtsorganisation weltweit. Das Leid der Jungen und Mädchen im zerstörten Europa war Anlaß für die Vereinten Nationen, am 11. Dezember 1946 das Kinderhilfswerk UNICEF zu gründen. Heute setzt sich UNICEF in 160 Ländern für das Überleben und die Entwicklung von Kindern ein. 7000 Mitarbeiter und Zehntausende ehrenamtliche Helfer kämpfen gegen Gewalt und Vernachlässigung - und für Schulbildung, medizinische Versorgung und den Schutz der Kinder.
"Kinder können nichts für die Untaten und Versäumnisse der Erwachsenen", sagt die Vorsitzende von UNICEF Deutschland, Heide Simonis. 1965 erhielt UNICEF als erste Organisation überhaupt den Friedensnobelpreis. Unter allen UN-Organisationen gehört das Kinderhilfswerk zu den am meisten anerkannten. Die UNICEF-Botschafterliste ist lang - mit prominenten Namen wie Roger Moore, Popstar Shakira, Harry Belafonte oder Sabine Christiansen.
"Wir sind die einzige Organisation, die auf drei Ebenen gleichzeitig arbeitet", sagt UNICEF-Deutschland-Sprecher Rudi Tarneden. "Wir haben den Dreiklang aus konkreter Hilfe, langfristiger Entwicklungsarbeit und dem Einsatz für Strukturveränderungen mit politischer und rechtlicher Dimension."
In den Nachkriegsjahren hatte das UN-Hilfswerk Millionen Kinder in Europa mit Milch und Lebertran versorgt. "In den Pausen gab es Milch und einen Keks dazu, was in einer Riesen-Reichweite die Kinder auch wieder dazu gebracht hatte, in die Schulen zu kommen", sagt Tarneden. Auch in Deutschland profitierten Millionen hungrige Kinder davon.
In den 50er und 60er Jahren standen Gesundheitsprogramme in Entwicklungsländern im Mittelpunkt. Kampagnen gegen Malaria, Lepra oder Tuberkulose wurden gestartet. Zugleich war es die Zeit der "Barfuß-Ärzte", berichtet der Kölner UNICEF-Sprecher. "Da wurden Helfer aus den Regionen, die selbst unter einfachsten Bedingungen lebten, in die entlegensten Dörfer geschickt, um elementare Gesundheitschecks an den Kindern vorzunehmen."
In den 70er und 80er Jahren schrieb sich UNICEF den Kampf gegen die hohe Kindersterblichkeit auf die Fahnen. Cholera- und Durchfall-Epidemien töteten damals jedes Jahr fünf Millionen Jungen und Mädchen. UNICEF etablierte mit Impfungen, Gesundheitskontrollen und einer Hygiene-Erziehung einen Basis-Gesundheitsschutz für die Ärmsten der Armen. Spätestens mit der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 sei die Arbeit der Organisation politischer geworden, erklärt Tarneden. UNICEF machte etwa auf das Schicksal von Kindersoldaten oder minderjährige Sexsklaven aufmerksam.
Auch zum 60. Jubiläum ruht man sich bei dem Hilfswerk nicht aus. Es gebe viele Herausforderungen, sagt Simonis. "Es ist kaum faßbar, daß immer noch 115 Millionen Mädchen und Jungen noch nicht einmal lesen und schreiben lernen können." Außer dem Einsatz für mehr Bildung sei der Kampf gegen die Aids-Epidemie vordringlich. Zudem bedrohe die massive Benachteiligung von Frauen fast überall auf der Welt auch das Überleben und die Entwicklung von Millionen Kindern. "Von Investitionen in die Gleichberechtigung und Bildung von Frauen würden sofort auch immer die Kinder profitieren", betont Tarneden.
Simonis fordert mehr Engagement auch von den Entwicklungsländern nach dem "Meilenstein" der Kinderrechtskonvention: "Die Regierungen müssen sich nun an ihren Versprechen messen lassen, die sie mit der Unterschrift unter die Konvention gegeben haben", meint die frühere Ministerpräsidentin vom Schleswig-Holstein. Zudem sei es wichtig, Spenden zu sammeln. Seit Anfang der 50er Jahre haben die Deutschen etwa 1,4 Milliarden Euro an die Weltorganisation überwiesen. UNICEF Deutschland ist damit unter allen nationalen Komitees nach Japan die wichtigste Spendenquelle. Zum 60. UNICEF-Geburtstag appelliert Simonis: "Wir auf der Nordhalbkugel müssen endlich begreifen: Armut und Hoffnungslosigkeit in den Entwicklungsländern geht uns alle an." (dpa)
STICHWORT
UNICEF
- Am 11. Dezember 1946 wurde der "United Nations International Children‘s Emergency Fund" gegründet.
- Heute hat UNICEF etwa 7000 Mitarbeiter und arbeitet in etwa 160 Ländern und Krisensituationen
- Im Jahr 2005 entfielen nach Angaben von UNICEF 54 Prozent der Programmausgaben auf Afrika und den Nahen Osten, 35 Prozent auf Asien und die Pazifikregion, fünf Prozent auf Lateinamerika sowie drei Prozent auf Osteuropa und die Staaten der ehemaligen Sowjetunion. (eb)