Risiko halbiert

Vegetarier erleiden seltener einen Schlaganfall

Das Schlaganfallrisiko unter Vegetariern ist um mehr als die Hälfte geringer als bei Fleischessern. Dafür spricht eine Analyse aus Taiwan.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
An apple a day keeps the doctor away – das scheint auch für das Schlaganfallrisiko zu gelten.

An apple a day keeps the doctor away – das scheint auch für das Schlaganfallrisiko zu gelten.

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Das Wichtigste in Kürze

Frage: Wie hoch ist die Schlaganfallinzidenz bei Vegetariern?

Antwort: In einer Studie aus Taiwan war sie nur halb so hoch wie bei Fleischessern.

Bedeutung: Das Schlaganfallrisiko ist unter Vegetariern in Taiwan verringert, europäische Daten deuten dagegen auf ein erhöhtes Risiko.

Einschränkung: Die Aussagekraft der Studie wird durch niedrige Ereigniszahlen limitiert.

Taipeh. Vegetarier haben in der Regel bessere Cholesterin-, Blutdruck- und Blutzuckerwerte als Fleischesser und bekommen – wenig überraschend – wesentlich seltener Herzkreislauferkrankungen. Darauf deuten mittlerweile mehrere Kohortenstudien.

Ob das jedoch überwiegend am Fleischverzicht liegt, lässt sich kaum sagen, auch andere Verhaltensweisen wie viel Bewegung sowie ein insgesamt gesünderer Lebensstil könnten dazu beitragen. Viele Studien legen zudem nahe, dass vor allem das Herzinfarkt-, nicht aber das Schlaganfallrisiko unter Vegetariern reduziert ist.

In der EPIC-Ernährungsstudie war die Schlaganfallrate unter Vegetariern sogar um 20 Prozent höher als unter Karnivoren, hauptsächlich bedingt durch eine erhöhte Inzidenz von Hirnblutungen (plus 43 Prozent).

Der Effekt war bei Veganern sogar noch ausgeprägter, was darauf schließen lässt, dass es Veganern an B-Vitaminen und wichtigen ungesättigten Fettsäuren mangeln könnte. Dafür spricht auch, dass Menschen, die zwar kein Fleisch, aber Fisch essen, in EPIC kein erhöhtes Schlaganfallrisiko aufwiesen.

Kein Vorteil bei hohen Vitamin-B12-Werten

Ernährungswissenschaftler um Dr. Tina Chiu von der Katholischen Universität in Taipeh sind nun anhand von zwei Kohorten der Frage nachgegangen, wie sich der Fleischverzicht spezifisch auf das Schlaganfallrisiko auswirkt – vor allem auch mit Blick auf die Aufnahme von B-Vitaminen.

In ihren Kohorten konnten sie unter Vegetariern eine deutlich reduzierte Rate für ischämische und hämorrhagische Insulte feststellen, allerdings vor allem bei niedrigen Vitamin-B12-Werten (Neurology 2020; online 17. März).

Die Daten beziehen sich auf die „Tzu Chi Health Study“ (Kohorte 1) und die „Tzu Chi Vegetarian Study“ (Kohorte 2). Teilnehmer waren jeweils Angehörige der Tzu-Chi-Gemeinschaft in Taiwan, einer buddhistischen Glaubensrichtung, die sich der Nächstenliebe, Medizin, Bildung und Menschlichkeit verpflichtet.

Kohorte 1 bestand aus rund 5000 Personen ohne vorhergehenden Schlaganfall. Alle füllten zu Beginn einen umfangreichen Ernährungs- und Lebensstilfragebogen aus, zudem wurden Lipid-, Blutglukose- und Nierenwerte bestimmt, bei einem Viertel auch B-Vitamin- und Homocysteinspiegel.

Kohorte 2 lieferte Daten zu etwa 8000 Teilnehmern, hier wurden jedoch nur Fragebögen ausgefüllt. In beiden Kohorten ernährte sich rund ein Viertel der Teilnehmer vegetarisch.

Halbierte Inzidenz bei Vegetariern

Zu Beginn waren die Teilnehmer im Schnitt 50 Jahre alt, der Frauenanteil unter den Vegetariern betrug rund 75 Prozent, unter den Fleischessern knapp über 40 Prozent. Vegetarier tranken seltener Alkohol, rauchten seltener und litten weniger oft an kardiometabolischen Erkrankungen als Fleischesser.

Die aus den Fragebögen berechnete Vitamin-B12-Aufnahme erreichte unter Vegetariern nur ein Viertel der von Fleischessern, die tatsächlich gemessenen Konzentrationen waren halb so hoch. Entsprechend fanden die Forscher bei den Vegetariern deutlich erhöhte Homocysteinwerte – im Median 10,6 versus 9,3 Mikromol/l.

In Kohorte 1 registrierten die Forscher um Chiu anhand einer nationalen Versichertendatenbank im Laufe von im Schnitt sechs Jahren 54 Schlaganfälle, 10 davon bei Vegetariern. Unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht und bekannten Lebensstilfaktoren ergab sich eine etwa halbierte Schlaganfallinzidenz unter den Vegetariern, wobei die Autoren jedoch nicht zwischen ischämischen und hämorrhagischen Insulten differenzierten.

In der zweiten Kohorte ereigneten sich immerhin 122 Schlaganfälle über zehn Jahre hinweg, 24 unter Vegetariern. Auch hier war die Inzidenz bei den Teilnehmern mit Fleischverzicht halbiert, und der Effekt bezog sich gleichermaßen auf ischämische und hämorrhagische Insulte.

Mehr als 80 Prozent gaben, niemals Alkohol zu trinken

Erstaunlicherweise war die Schlaganfallrate bei Vegetariern mit hohen Vitamin-B12-Spiegeln nicht reduziert. Eigentlich hätte man gerade bei solchen Personen eine geringere Inzidenz erwartet. Allerdings dürften die Ereigniszahlen in dieser Subgruppe zu gering für eine valide Aussage sein.

Die Differenzen zur EPIC-Studie erklären sich die Forscher um Chiu mit einem insgesamt gesünderen Lebensstil der asiatischen Teilnehmer. Nur jeder Fünfte gab an, jemals geraucht zu haben, mehr als 80 Prozent behaupteten, niemals Alkohol zu trinken.

Vielleicht habe der Alkohol den Ausschlag für die erhöhte Schlaganfallinzidenz unter den europäischen Vegetariern der EPIC-Studie gegeben, zudem hätten chinesische und europäische Vegetarier andere Vorlieben bei der Ernährung. Auch diese könne sich auf die Schlaganfallrate ausgewirkt haben.

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Kommentare
Dr. Stefan Graf 25.03.202007:47 Uhr

Angesichts der zahlreichen Einschränkungen, Unzulänglichkeiten im Studiendesign und gegenteiligen Ergebnissen anderer Studien eine sehr unglücklich gewählte Überschrift. Sie lässt etwas als Faktum vermuten, was bei näherer Betrachtung "ganz dünnes Eis" ist.

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