Versorgung muss auf chronisch Kranke fokussieren
Der Landesverband Praxisnetze in NRW beklagt eine falsche Ausrichtung des Gesundheitswesens. Chronisch Kranke seien wie der "Schwarze Peter", den jeder gerne los werden möchte.
Veröffentlicht:
Kassen sind schwer ins Boot zu bekommen: Gastroenterologe Dr. Heinrich Miks.
© KVWL
MÜNSTER. Mit der evidenzbasierten und strukturierten Versorgung von kostenintensiven chronisch kranken Patienten können Ärzte in Praxis und Klinik sowohl die Behandlung der Patienten verbessern als auch die Kosten deutlich senken.
Dabei die Kassen mit ins Boot zu bekommen ist allerdings schwierig, sagt Dr. Heinrich Miks, Gastroenterologe aus Hamm und Vorsitzender des Landesverbands Praxisnetze Nordrhein-Westfalen (LPNRW).
Das Gesundheitswesen sei auf junge, gesunde Menschen ausgerichtet, sagte Miks auf der Veranstaltung "Praxisgestaltung - Kooperationen" der Kanzlei am Ärztehaus Frehse Mack Vogelsang und der Deutschen Apotheker- und Ärztebank Münster/Bielefeld.
Für ihre Versorgung seien genügend Mittel vorhanden. "Aber kann der chronisch kranke Mensch mit einem Regelleistungsvolumen von 36 bis 40 Euro pro Quartal wirklich versorgt werden?"
Jeder will chronisch Kranke loswerden
Eigentlich müsste das Gesundheitssystem genau auf diese Patienten ausgerichtet sein. "Doch wir haben ein System, in dem der chronisch Kranke zum Schwarzen Peter geworden ist, den jeder schnell loswerden will", kritisierte Miks. Die vergleichsweise kleine Gruppe der schwer kranken Patienten verursache einen großen Anteil der Kosten.
"Wenn wir Versorgung gestalten wollen, müssen wir Mechanismen finden, diese Patienten zu identifizieren und in der Zusammenarbeit von niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern zu behandeln", sagte Miks.
Er führte die Hypertonie als Beispiel auf. Von 1000 Hypertonie-Patienten hätten 855 ein durchschnittliches oder leicht erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, 115 ein stark erhöhtes Risiko und 30 ein sehr stark erhöhtes Risiko.
Diese 30 Patienten verursachten mehr als die Hälfte der Kosten. Sie früh zu erkennen, sei nicht schwierig. "Die Einordnung in Risikogruppen ist mit einfachen anamnestischen Erhebungen und klinischen Untersuchungen möglich." Sie erlaube eine zielgenaue Behandlung.
Versorgunsgpfade für Hypertoniker entwickelt
Auf Basis der Risikoeinordnung habe der LPNRW für Patienten mit Hypertonie leitlinienorientierte Versorgungspfade für die hausärztliche, die fachärztliche und die Krankenhausebene entwickelt und getestet, sagte er.
Miks zeigt sich überzeugt, dass solche gezielten Versorgungspfade nicht nur zu einer besseren Behandlung der Patienten, sondern auch zu einer deutlichen Reduzierung der Kosten führen.
"Im Augenblick ist es aber außerordentlich schwierig, mit den Krankenkassen darüber zu verhandeln." Die Kassen seien zwar von dem Konzept überzeugt, berichtete er. "Es fehlt aber das Geld, es umzusetzen."