Kinderschutz
Viele Kinder emotional vernachlässigt
Viele Kinder werden von ihren Eltern emotional misshandelt - und niemand reagiert.
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Besonders Kinder mit neurobiologischen und morphologischen Auffälligkeiten sind gefährdet.
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BERLIN. Ausmaß und Schweregrad von emotionalen Misshandlungen und Vernachlässigungen im Kindes- und Jugendalter werden stark unterschätzt.
Auf diese Defizite hat Dr. Tanja Blessier, Diplom-Psychologin an der Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie im Universitätsklinikum Ulm, hingewiesen. Bei einer eher weiten Auslegung dieser subtilen Gewaltform sei davon auszugehen, dass heute fast 50 Prozent der Kinder emotional vernachlässigt und rund 15 Prozent emotional misshandelt würden.
Bei einer sehr engen und diagnostisch strikten Auslegung müsse man von zehn Prozent emotional stark vernachlässigter und rund einem Prozent emotional misshandelter Kinder ausgehen.
Gefährdet seien vor allem Kinder mit neurobiologischen und morphologischen Auffälligkeiten, die in Familien mit unsicherem Bindungsgefüge und einem desorganisierten Umfeld aufwachsen. Die elterliche Fürsorge für das Kind könne so nicht mehr wahrgenommen werden, weil der Konflikt zwischen den biologisch bedingten Bedürfnissen nach Nähe und Vertrauen und dem tatsächlich realen Kontakt zu den Bezugspersonen nicht mehr lösbar sei.
Blessier empfahl Ärzten in solchen Fällen, auch die "Frühen Hilfen" zu berücksichtigen, weil hier zumindest versucht werde, starre Strukturen im Versorgungssystem zu durchbrechen. Hilfreich für die Hausärzte und speziell die Kinder- und Jugendärzte sei zudem das Online-Programm "Grundkurs Kinderschutz in der Medizin" (https://grundkurs.elearning-kinderschutz.de). Der erste Testkurs mit fünf Modulen und 28 Lerneinheiten ist im Juni an den Start gegangen. (ras)