Blutdrucksenkung bei Senioren
Von wegen höhere Sturzgefahr
Eine blutdrucksenkende Therapie könnte bei Senioren das Risiko erhöhen, dass sie stürzen, dachte man bislang. Jetzt hat eine US-Studie keinen Hinweis darauf gefunden - ganz im Gegenteil.
Veröffentlicht:BOSTON. Wie beeinflusst eine antihypertensive Therapie das Sturzrisiko bei alten Menschen? Um diese Frage zu klären, wurden Daten der prospektiven Beobachtungsstudie MOBILIZE Boston Study analysiert (Maintenance of Balance, Independent Living, Intellect, and Zest in the Elderly).
Teilnehmer waren 598 noch zu Hause wohnende 70- bis 97-Jährige mit Bluthochdruck (über 140/90 mmHg). Über ein Jahr lang waren bei ihnen alle Stürze aufgezeichnet worden.
Dabei wurde unterschieden zwischen Stürzen im und außer Haus sowie mit und ohne Verletzung (Hypertension 2015; online 4. Mai).
Insgesamt gab es in diesem einen Jahr 541 Stürze. Bei 45 Prozent der Teilnehmer wurde mindestens ein Sturz aufgezeichnet, das Maximum an Stürzen pro Person lag bei 17.
21 Prozent der Studienteilnehmer fielen im Haus, 14 Prozent außerhalb des Hauses und 7 Prozent sowohl im Haus als auch draußen.
27 Prozent aller Studienteilnehmer erlitten im Beobachtungszeitraum bei einem Sturz Verletzungen. Auf die Sturzpatienten bezogen, verletzten sich 164 von 267 Patienten bei wenigstens einem Sturz.
Zerebraler Blutfluss verringert
In der allgemeinen Analyse zeigte sich erwartungsgemäß, dass alte Menschen, die stürzen, häufiger psychotrope Medikamente einnehmen sowie mehr Komorbiditäten haben. Auch hatten Menschen, die einmal gestürzt sind, ein höheres Risiko für erneute Stürze.
Sturzpatienten hatten zudem einen signifikant geringeren zerebralen Blutfluss. Dieser Parameter wurde per transkraniellem Doppler bei einer Subgruppe von 313 Probanden erfasst.
Keinen Zusammenhang gab es zwischen Stürzen und Antihypertensiva. Zwar hatten Patienten, die Antihypertensiva einnehmen, einen niedrigeren Blutdruck, mehr Komorbiditäten und öfter Diabetes. Trotzdem unterschied sich die Sturzrate nicht von jener bei Probanden ohne Antihypertensiva.
In der Detailanalyse war die Einnahme von ACE-Hemmern mit einem signifikant niedrigeren Risiko von Stürzen mit Verletzungsfolge assoziiert (RR 0,62). Kalziumantagonisten waren mit einem geringeren Sturzrisiko allgemein (RR 0,62) und im Haus (RR 0,57) assoziiert.
In beiden Fällen sank das Sturzrisiko mit steigender Dosierung. Probanden, die Kalziumantagonisten einnahmen, hatten zudem einen signifikant höheren zerebralen Blutfluss.
Vorsichtige Interpretation
Die Autoren interpretieren ihre Ergebnisse vorsichtig: Eine antihypertensive Behandlung scheine zumindest kein starker Risikofaktor für Stürze zu sein.
Sie verweisen auf eine Studie von 2013, bei der RAAS-Hemmstoffe ebenfalls mit einem geringeren Sturzrisiko assoziiert waren (J Am Geriatr Soc. 2013; 61: 776).
Bei den Kalziumantagonisten komme der höhere zerebrale Blutfluss als Mechanismus in Frage, mit dem sturzprotektive Effekte einer derartigen Therapie erklärbar wären.
Zu den Stärken der Studie zählt, dass sie populationsbasiert ist, also nicht nur streng ausgewählte Probanden berücksichtigt hat. Es gibt allerdings auch Studien mit gegensätzlichem Ergebnis.
Eines der Probleme des gewählten Beobachtungsdesigns ist, dass es schwierig ist, den Bias auszugleichen, der dadurch entsteht, dass Patienten mit ohnehin höherem Sturzrisiko von den Ärzten eher weniger antihypertensive Medikamente verschrieben bekommen.