Leopoldina
Votum zu Luftschadstoffen soll noch im Frühjahr kommen
HALLE. Im Streit um Grenzwerte für die Luftverschmutzung durch Diesel-Abgase will die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina voraussichtlich im Frühjahr eine Stellungnahme vorlegen. Nach einer entsprechenden Bitte von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde dafür eine Arbeitsgruppe mit Wissenschaftlern verschiedener Fachgebiete zusammengestellt.
Geprüft werden soll nach Angaben der Leopoldina unter anderem die methodische Qualität von Studien, auf die sich Grenzwerte beziehen. Geplant ist auch ein Vergleich mit Grenzwerten und Gesundheitsschutz-Regelungen in ausgewählten anderen Ländern.
Der seit 2010 verbindliche EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 µg / cm3 Luft ist in die Kritik geraten – er ist aber auch Grundlage für gerichtlich verhängte Diesel-Fahrverbote. Eine Gruppe von Lungenärzten hatte die Debatte angestoßen, indem sie den gesundheitlichen Nutzen der Grenzwerte anzweifelte.
Dagegen gibt es aber breiten Widerspruch deutscher und internationaler Experten. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) dringt auf Überprüfung der Grenzwerte. Ende Januar hatte die Bundesregierung angekündigt, die Leopoldina als Nationale Akademie der Wissenschaften um Klärung zu bitten.
Der Arbeitsgruppe, die unabhängig und ergebnisoffen beraten soll, gehören 20 Professoren aus zwölf Fachgebieten an: Medizin, Toxikologie, Biologie, Chemie, Epidemiologie, Statistik, Technik-, Wirtschafts-, Material- und Rechtswissenschaften, Soziologie und Verkehrsforschung. Einer von drei Sprechern der Arbeitsgruppe ist der Präsident der Leopoldina, Jörg Hacker. Die Experten werden wegen ihrer persönlichen Expertise berufen und sollen nicht als Vertreter einer Interessengruppe tätig werden.
Die Leopoldina mit Sitz in Halle in Sachsen-Anhalt erarbeitet im Rahmen einer „wissenschaftsbasierten Politikberatung“ Stellungnahmen, die auch Handlungsoptionen für die Politik enthalten. In der Regel kommt der Anstoß dafür von Mitgliedern oder Gremien der Akademie, wie es hieß. Es würden aber auch Themen und Fragestellungen von außen herangetragen, wie nun im Fall der Stickoxid-Grenzwerte.
Messstation-Genauigkeit soll überprüft werden
Parallel zu den Aktivitäten der Leopoldina lässt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) die Genauigkeit der Abgas-Messstationen in Deutschland überprüfen. „Die Messstationen werden nach EU-weit gültigen Regeln laufend überprüft. Aber ich sehe ja, dass diese Debatte hierzulande sehr aufgeregt geführt wird, deshalb habe ich beim TÜV Rheinland ein unabhängiges Gutachten in Auftrag gegeben“, sagte sie der „Bild am Sonntag“. „Die Überprüfung der Messstationen ist diese Woche angelaufen.“
Den Vorstoß von Verkehrsminister Scheuer, die Stickoxid-Grenzwerte überprüfen zu wollen, kritisierte Schulze scharf: „Diese Grenzwerte werden regelmäßig von Wissenschaftlern und Medizinern auf den Prüfstand gestellt. Es gibt keinen vernünftigen Grund, daran zu rütteln.“ „Ich kann nur dazu raten, dem Diskurs in der Wissenschaft zu vertrauen“, sagte Schulze. „Das hätte auch Herr Scheuer tun sollen, anstatt vorschnell einzelne Ärzte zu loben.“
Schulze fügte hinzu: „Herr Scheuer hat die Aufgabe, eigene Maßnahmen (für den Klimaschutz) zu benennen. Ich bin sehr gespannt, was er vorschlagen wird, damit auch der Verkehr klimafreundlicher wird.“ (dpa)