FAQ

Wie gefährlich sind denn jetzt Luftschadstoffe?

Über die Folgen von Diesel und Feinstaub wird aktuell kontrovers diskutiert, Lungenfachärzte haben sich in ein großes und ein kleines Lager gespalten. Die Pneumologen-Gesellschaft hat deshalb ein Positionspapier verfasst. Hier die wichtigsten Positionen.

Von Prof. Joachim Heinrich Veröffentlicht:
Emissionen des Autoverkehrs: Dazu gehört neben Abgasen auch der Abrieb von Bremsen und Reifen.

Emissionen des Autoverkehrs: Dazu gehört neben Abgasen auch der Abrieb von Bremsen und Reifen.

© Ingo Bartussek / stock.adobe.com

Der Dieselskandal hat eine heftige Debatte über die gesundheitlichen Folgen der Exposition mit KFZ-verkehrsabhängigen Schadstoffen besonders in Deutschland ausgelöst. Diese Debatte wurde überwiegend in den Medien geführt. Deswegen hat die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin den derzeitigen Wissensstand zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Luftschadstoffe in einem Positionspapier zusammengefasst.

Im Nachfolgenden werden vor allem methodische Aspekte zur Erforschung dieser Luftschadstoffwirkungen auf Lunge und Atemwege erläutert und auf einige aktuelle Kritikpunkte eingegangen.

1.) Quellen der Luftverschmutzung

Es gibt im Wesentlichen folgende Quellen, die die Luftverschmutzung in unseren Städten beeinflussen: Die Emissionen des lokalen Straßenverkehrs sowie der Ferntransport von Luftschadstoffen, die der Industrie oder Landwirtschaft entstammen. Hinzu kommt die Emission aus Kleinfeuerungsanlagen, insbesondere bei Verbrennung von Holz oder Holzpellets.

Zu den Emissionen des Autoverkehrs gehören neben den Abgasen auch der nicht zu vernachlässigende Abrieb von Bremsen und Reifen sowie die Wiederaufwirbelung von sedimentiertem Staub.

2.) Gesundheitliche Gefahren

Worin bestehen die gesundheitlichen Gefahren durch Luftverschmutzung für Lunge und Atemwege? Die nachteiligen gesundheitlichen Wirkungen von Luftschadstoffen sind durch experimentelle Expositionsstudien, Human-Expositionsstudien und epidemiologische Studien ausreichend belegt (vgl. DGP-Positionspapier, Schulz et al. 2018).

Das betrifft im Einzelnen eine starke Evidenz für eine kausale Wirkung der Feinstaubexposition (PM2.5 und PM10) auf die Sterblichkeit (besonders durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen), Lungenkrebs, Pneumonien und eine eingeschränkte Lungenfunktion.

Dagegen ist eine kausale Wirkung von NO2-Expositionen am besten untersucht im Hinblick auf Exazerbationen bei bestehendem Asthma oder bestehender COPD. Zudem wird NO2 als Indikator eines verkehrsabhängigen Schadstoffgemisches interpretiert, dessen Wirkung vermischt mit anderen Luftschadstoffen wie ultrafeinen Partikeln, CO oder flüchtigen organischen Verbindungen auftritt.

Der epidemiologische Nachweis von irreversiblen gesundheitlichen Langzeitwirkungen von Luftschadstoffen entstammt bisher überwiegend den Ergebnissen umfangreicher Kohortenstudien in Nordamerika wie der American Cancer Society Study mit über 500.000 Probanden und der European Study of Cohorts for Air Pollution Effects (ESCAPE) mit bis zu 300.000 Probanden, die ursprünglich Gesunde teils über Jahrzehnte auch im Hinblick auf die Entstehung von Atemwegserkrankungen untersucht haben

Dabei wurde für jeden einzelnen Probanden die Langzeitexposition mit Schadstoffen modelliert und zahlreiche Begleitfaktoren wie die Tabakrauchexposition und soziale Faktoren berücksichtigt.

3.) Behauptungen und Fakten

  • Die Wissenschaft ist uneins über die gesundheitlichen Wirkungen von Luftschadstoffen.

Falsch. Wissenschaft lebt zwar vom Zweifel, allerdings ist sie sich bei den Gesundheitseffekten von Feinstaub überwiegend einig. Die einschlägigen nationalen und internationalen Fachgesellschaften unterstützen das Positionspapier der DGP.

  • Grenzwerte basieren auf Korrelation und nicht auf Kausalität.

Falsch, weil Grenzwerte immer „politisch“ festgelegt werden. Umfangreiche experimentelle Studien stützen aber die epidemiologischen Ergebnisse, die zur Ableitung von Richtwerten führen. Hinzu kommt die Kohärenz der Ergebnisse verschiedener Studien in unterschiedlichsten Szenarien.

  • Es gibt keine Toten durch Feinstaub und Stickoxide.

Richtig, aber nach dieser Logik gibt es auch keine Toten durch das Rauchen. Die Schädlichkeit des Rauchens kann auch nicht am einzelnen Patienten eindeutig identifiziert werden.

  • Durch Rauchen ist die Exposition mit Partikeln um ein Vielfaches höher, dennoch sind keine akuten Effekte zu sehen. Luftschadstoffe können deswegen nicht gefährlich sein.

Halb wahr. Die Exposition mit NO2 und Feinstaub ist tatsächlich beim Rauchen vielfach höher, auch wenn sich die Kritiker bei ihrer Argumentation um Größenordnungen verrechnet haben. Allerdings kann man eben nicht von einer linearen Dosis-Wirkungsbeziehung ausgehen.

Im Gegenteil ist diese bekanntermaßen bei der Exposition durch Zigarettenrauch abgeflacht, wie auch bei extrem hohen Luftschadstoffexpositionen. Hinzu kommen die Komplexität des Zigarettenrauches, die Freiwilligkeit der Exposition und die unterschiedlichen zeitlichen Expositionsmuster, die einen belastbaren Vergleich nicht ermöglichen.

  • Die zulässigen Grenzwerte für NO2 sind in anderen Ländern wie den USA, und an anderen Orten (Innenraum und Arbeitsplatz in Deutschland) vielfach höher als die NO2-Grenzwerte der Außenluft in Deutschland.

Richtig. Daraus kann man aber nicht ableiten, dass die Außenluft-Grenzwerte zu niedrig sind. In den USA werden NO2-Belastungen durch die wesentlich niedrigeren Grenzwerte der zulässigen Emissionen geregelt. Die Innenraumschwellenwerte in Deutschland werden gerade überarbeitet und die höheren maximal zulässigen Konzentrationen am Arbeitsplatz beziehen sich auf den Gesundheitsschutz von überwiegend gesunden Erwachsenen.

  • Die epidemiologischen Studien berücksichtigen Begleitfaktoren nicht und verglichen die Bevölkerungen zwischen Stadt und Land.

Falsch. Die meisten Studien vergleichen Personen mit hoher und niedriger Exposition im städtischen Wohnumfeld und berücksichtigen andere Lebensstilfaktoren wie soziale Faktoren, Rauchen, Ernährung und weitere.

  • Gesundheitliche Nachteile durch Wohnen an stark befahrenen Straßen und in den Innenstädten werden durch soziale Faktoren und nicht durch die höheren Luftschadstoffexpositionen verursacht.

Das ist möglich, wenn man nicht für die soziale Lage adjustiert, was die meisten Studien aber tun. Zum anderen gibt es auch Studien in Städten in Europa (Amsterdam, Stockholm, München), wo Personen mit niedrigerem Einkommen keinesfalls eine höhere Exposition mit verkehrsabhängigen Schadstoffen aufweisen.

  • Messstationen stehen in Deutschland falsch, weil zu verkehrsnah.

Die Auswahl der Standorte regelt die 39. BImSchV in Anlagen A-C. Die Überprüfung der etwa 150 Messstationen in NRW durch den TÜV Rheinland ergab keinerlei Beanstandungen.

Fazit

Zweifellos kann man über die politisch festgelegten Grenzwerte diskutieren und gegebenenfalls diese neu und höher festlegen. Dadurch können Fahrverbote für Dieselfahrzeuge vermutlich vermieden werden und ein Alarm wegen erhöhter Feinstaub-und Stickstoffdioxidkonzentrationen wäre weniger wahrscheinlich.

Die eindeutige Sachlage zu den gesundheitlichen Wirkungen von Feinstaub und Stickoxiden rechtfertigt solche politische Entscheidungen allerdings nicht. Insofern handelt es sich eben doch nicht nur um einen „falschen Alarm“.

Prof. Joachim Heinrich wird zum Thema Luftschadstoffe einen Vortrag beim 60. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (13.-16. März in München) halten.

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