Kommentar
Wie sinnvoll sind Antikörpertests?
Alle Welt, so scheint es, redet derzeit von Antikörpertests in Verbindung mit der Hoffnung nun endlich zu wissen, wie es tatsächlich um das Corona-Infektionsgeschehen in Deutschland steht. Doch fällt ein Antikörpertest auf SARS-CoV-2 positiv aus, bedeutet das zunächst einmal nur, dass der Getestete mit dem Virus infiziert war. Viele andere wichtige Fragen bleiben ungeklärt. Ist der Getestete damit zum Beispiel auch gegen eine Reinfektion geschützt? Und – wenn dies zutrifft – für welchen Zeitraum gilt dies dann?
Zudem kann ein Antikörpertest selbst bei hoher Spezifität ein falsch-positives Ergebnis liefern – bei einer derzeit angenommenen Prävalenz von gerade einmal 0,2 Prozent in Deutschland sind das einfach zu viele falsch-positive. Wenn dann die Basis für einen „Immunitätspass“ die Dokumentation solch eines positiven Antikörpertests sein soll, ist dessen Sinn mehr als fraglich.
Im schlimmsten Fall könnten sich Menschen mit positivem Testergebnis in falscher Sicherheit wiegen, auf Mundschutz verzichten, es mit den Abstandsregeln nicht so genau nehmen und damit neue Infektionsketten provozieren. Und abgesehen davon: Menschen ohne „Immunitätspass“ könnten sich benachteiligt fühlen und sogar mit „Coronaparties“ eine Infektion provozieren.
Gesundheitsminister Jens Spahn wundert sich dennoch über die „Immunitätsausweis“-Debatte, wie er es auch bei einer Veranstaltung aus Anlass der Markteinführung eines neuen Antikörpertests sagte. Schließlich könne man auch bei anderen Viruserkrankungen den Antikörpertiter bestimmen und das Ergebnis in den Impfpass eintragen lassen. Was man mit diesem Eintrag dann mache, bleibe jedem Bürger selbst überlassen.
Was Spahn dabei allerdings außer Acht lässt: Bei anderen Viruserkrankungen kann sich jeder aktiv für eine Impfung entscheiden, um den entsprechenden Antikörpertiter zu erhöhen. Bei SARS-CoV-2 gibt es diese Möglichkeit (noch) nicht.