Krebsfrüherkennung

Zankapfel PSA-Test

Für akuten Zündstoff bei der Krebsfrüherkennung sorgen die neuen Leitlinien der US-amerikanischen und der europäischen urologischen Gesellschaften: Diese machen die unterschiedlichen Einschätzungen zum Wert des PSA-Tests sehr deutlich.

Von Dr. Christine Starostzik Veröffentlicht:
PSA-Wert-Bestimmung. Lohnt sich ein Screening zur Früherkennung des Prostatakarzinoms?

PSA-Wert-Bestimmung. Lohnt sich ein Screening zur Früherkennung des Prostatakarzinoms?

© Mathias Ernert, Labor Limbach He

MÜNCHEN. Ab dem 45. Geburtstag hat jeder Mann in Deutschland einmal jährlich Anspruch auf eine Untersuchung zur Früherkennung von Prostatakrebs.

Die gesetzlichen Programme sehen eine digital-rektale Untersuchung (DRU) der Prostata sowie das Abtasten der Genitalien und Leistenlymphknoten vor. Nicht in diesen Rahmen fällt die Blutuntersuchung auf das prostataspezifische Antigen (PSA).

Gleichzeitig rät die aktuelle deutsche S3-Leitlinie zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakrebses, Männer ab 40 mit einer voraussichtlichen Lebenserwartung von mehr als zehn Jahren über die Möglichkeit einer Früherkennung aufzuklären.

Wünscht der Patient eine Untersuchung, sollen ihm eine DRU und eine Blutuntersuchung zur Kontrolle des PSA-Wertes angeboten werden.

Die Deutsche Gesellschaft für Urologie empfiehlt zwar kein Massen-Screening, sie hat im August 2012 aber erklärt, sie halte "in Anbetracht der anhaltend hohen Mortalität des Prostatakarzinoms als dritthäufigste Krebstodesursache beim Mann und der insgesamt steigenden Lebenserwartung die grundsätzliche Ablehnung von Früherkennung mittels PSA-Testung … für zynisch".

Nach wie vor sieht sie den PSA-Test als "das wichtigste Instrument für die Früherkennung von Prostatakrebs" an.

Amerikaner vollziehen Kehrtwende

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International ist man sich derzeit nicht einig, ob ein PSA-Screening insgesamt einen Vorteil bringt oder ob mögliche Nachteile wie unnötige Operationen mit den Hauptrisiken Inkontinenz und Impotenz überwiegen. So rudern die Amerikaner derzeit in eine ganz andere Richtung.

Während dort vor einigen Jahren noch jeder Mann, der seinen PSA-Wert nicht kannte, beinahe schon als Exot galt, spricht sich die amerikanische Gesellschaft für Urologie (AUA) in ihrer Leitlinie von 2013 zur Früherkennung des Prostatakarzinoms nun gegen ein generelles PSA-Screening für gesunde Männer aus.

Männern zwischen 55 und 69 Jahren wird in der Leitlinie empfohlen, nach gründlicher Aufklärung zusammen mit dem Arzt zu entscheiden, ob eine PSA-Untersuchung durchgeführt werden soll oder nicht.

Darüber hinaus halten die US-amerikanischen Experten ein Screening jenseits des 70. Lebensjahres oder bei einer Lebenserwartung von weniger als 10 bis 15 Jahren für nicht sinnvoll.

In all dem Durcheinander sorgt nun ein aktueller Vorschlag der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) für neuen Wirbel. Hier setzt man auf den gut informierten Patienten, dem eine individuell angepasste Vorsorge zuteil werden soll.

Experten-Empfehlungen

In ihren Empfehlungen stützen sich die Experten auf einen systematischen Literatur-Review und eine Metaanalyse, wobei die aktuellen Auswertungen der European Randomised Study of Screening for Prostate Cancer (ERSPC) und der Göteborg randomised population-based PCa screening trial eine wesentliche Rolle spielen.

In ihrer Stellungnahme geben sie Folgendes zu Protokoll:

› Die Früherkennung des Prostatakarzinoms reduziert die prostatakrebsspezifische Mortalität. ERSPC- und Göteborg-Studie lassen eine Senkung der Sterblichkeit zwischen 21 und 44 Prozent durch das PSA-Screening erkennen.

› Früherkennung senkt das Risiko für die Diagnose eines fortgeschrittenen oder metastasierten Prostatakrebses. Die Risikoreduktion reicht in verschiedenen Studien von 30 Prozent nach zwölf Jahren bis 48,9 Prozent nach zehn Jahren.

 › Im Alter zwischen 40 und 45 Jahren sollte die Bestimmung eines Basis-PSA erfolgen. Ein Wert über 1,0 ng/ml mit 45 Jahren bzw. von über 2,0 ng/ml mit 60 Jahren ist mit einem signifikant erhöhten Risiko verbunden, dass der Betroffene an einem Prostatakarzinom stirbt oder in den kommenden 25 Jahren bei ihm ein fortgeschrittener oder metastasierter Prostatakrebs diagnostiziert wird.

› Das Intervall von Früherkennungsuntersuchungen sollte sich am Ergebnis des Basis-PSA orientieren. Liegt das PSA im Serum bei Männern zwischen 45 und 59 Jahren über 1,0 ng/ml, sollte alle zwei bis vier Jahre kontrolliert werden. Bei Werten unter 1,0 ng/ml dagegen könne die Zeitspanne bis zu acht Jahre ausgedehnt werden. Dies helfe, mögliche Folgen einer Überdiagnostik zu vermeiden.

› Ein PSA-Screening sollte Männern mit einer noch zu erwartenden Lebenszeit von mindestens zehn Jahren angeboten werden.

› In die Entscheidungsprozesse sollen künftig multivariable Faktoren zur Risikovorhersage einbezogen werden. Über den PSA-Wert hinaus soll das Risiko eines Patienten für die Entwicklung eines klinisch relevanten Prostatakarzinoms mittels weiterer Parameter eruiert werden. Zu solchen Methoden, die in der Routine noch kaum Verwendung finden, gehört beispielsweise der "Prostata Cancer Prevention Trial (PCPT) risk calculator", in den neben dem PSA-Wert auch die Schnelligkeit seines Anstiegs, die digitale Rektaluntersuchung, Alter, ethnische Zugehörigkeit, Biopsie und die familiäre Belastung mit Prostatakarzinom eingehen.

Viele unspezifische Einflüsse

Während man sich über den Wert der PSA-Bestimmung als Verlaufskontrolle bei Patienten mit einer bereits bekannten Krebserkrankung einig ist, streitet man derzeit noch heftig um den Nutzen der Untersuchung zur Krebsfrüherkennung.

Denn häufig kommt es auch bei entzündlichen Prozessen von Prostata oder Blase sowie bei Prostataadenomen zu einem PSA-Anstieg.

Darüber hinaus können äußere Faktoren das Ergebnis des PSA-Tests verfälschen. Das Deutsche Krebsforschungszentrum Heidelberg rät, erhöhte Testwerte eventuell mit einem gewissen Zeitabstand zu kontrollieren.

Erst ein mehrfach über mehrere Wochen hinweg erhöhter Wert, der möglicherweise auch ansteigt, erhärte den Krebsverdacht, insbesondere dann, wenn zudem ein verdächtiger Tastbefund vorliege. Eine Klärung kann letztlich aber nur durch die Biopsie herbeigeführt werden.

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