Blutdruck

Zu starke Senkung geht auf die Nieren

Wird der Blutdruck auf sehr niedrige Werte gesenkt, kann das wie beim Hochdruck zu Schäden an den Nieren führen - und offenbar auch das Sterberisiko erhöhen.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:
Als optimalen systolischen Druck, um Nierenversagen und vorzeitigen Tod zu verhindern, ergab eine Studie den Wertvon 137 mmHg.

Als optimalen systolischen Druck, um Nierenversagen und vorzeitigen Tod zu verhindern, ergab eine Studie den Wertvon 137 mmHg.

© Kzenon / fotolia.com

LOS ANGELES. Bislang ist es üblich, für die Hochdrucktherapie Grenzwerte nach oben vorzugeben. Nun kommt von US-amerikanischen Ärzte der Rat, in den Leitlinien auch "die potenziellen Gefahren einer Übertherapie zu berücksichtigen" (JACC 2014; 64: 588-597).

Die Ärzte um John J. Sim vom Kaiser Permanente Los Angeles Medical Center haben anhand der Daten von behandelten Hypertoniepatienten untersucht, bei welchen Blutdruckwerten das Risiko von terminalem Nierenversagen und Tod am geringsten ist.

Gefunden haben sie einen optimalen Zielkorridor von 130-139 mmHg systolisch und 60-79 mmHg diastolisch: Nicht nur höhere, sondern auch niedrigere Werte waren mit einer schlechteren Prognose verknüpft.

In die retrospektive Analyse waren 398.419 Patienten (55 Prozent Frauen, mittleres Alter 64 Jahre) einbezogen, die zwischen 2006 und 2010 wegen Bluthochdrucks medikamentös behandelt worden waren.

137 mmHG - optimaler systolischer Druck

Bei der Mehrzahl (83 Prozent) war der Hochdruck unter Kontrolle, der mittlere Wert betrug 131/73 mmHg. 28.919 Patienten (7,3 Prozent) hatten im Beobachtungszeitraum ein terminales Nierenversagen entwickelt oder waren gestorben.

Das geringste Risiko für den kombinierten Endpunkt aus Nierenversagen und Tod bestand bei einem systolischen Druck zwischen 130 und 139 mmHg. Bei Werten von 120-129 mmHg lag das Risiko bereits um 10 Prozent höher, bei Werten von 110-119 bzw. unter 110 mmHg stieg es sogar um den Faktor 1,7 bzw. 3,8.

Ein systolischer Blutdruck über dem Referenzbereich ließ das Risiko auf das 1,4- (140-149 mmHg) bis 4,9-Fache (über 169 mmHg) klettern. Als optimaler systolischer Druck im Hinblick auf den kombinierten Endpunkt wurden 137 mmHg errechnet.

Auch die Beziehung zwischen diastolischen Drücken und Nierenversagen und/oder Tod folgte einer U-förmigen Kurve, mit etwas breiterem Fuß als beim systolischen Druck. Rechnerisch lag der tiefste Punkt, also das niedrigste Risiko, bei einem Druck von 71 mmHg.

Eine U-förmige Kurve ergab sich auch, wenn der systolische Blutdruck nur zur Mortalität in Bezug gesetzt wurde. Für das terminale Nierenversagen allein zeigte sich eher eine J-förmige Kurve: Der Risikoanstieg bei zu hohen Drücken war deutlich steiler als bei sehr niedrigen.

Optimaler Blutdruck bei Diabetikern niedriger

Beschränkte man die Analyse auf Patienten mit Diabetes, die 30 Prozent der Studienkohorte ausmachten, lag der optimale Blutdruck zur Vermeidung von Nierenversagen und Tod mit 131/69 mmHg etwas niedriger als bei den Nichtdiabetikern mit 142/73 mmHg.

Aber auch bei Diabetikern waren systolische Drücke sowohl über als auch unter 130-139 mmHg mit einer Zunahme des Risikos assoziiert.

In höherem Alter war die Kurve dagegen zu höheren Drücken hin verschoben. Bei Patienten ab 70 Jahren lag der Nadir bei 140/70 mmHg, bei jüngeren bei 133/76 mmHg.

Die Studienautoren um Sim warnen deswegen, dass "die Senkung eines Bluthochdrucks auf sehr niedrige Werte unerwünschte Folgen haben könnte".

Bei der derzeitigen Versorgungssituation sehen sie sowohl in der Eskalation als auch im Absetzen von Medikamenten eine Möglichkeit, die Behandlungserfolge bei Hochdruckpatienten zu verbessern.

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Kommentare
Dr. Hartwig Raeder 12.08.201411:01 Uhr

Pathophysiologie

Die Herzinsuffizienz ist als zu kleines Herzzeitvolumen definiert. Im Zweifel wird eine Blutdrucksenkung das Herzzeitvolumen und damit die Perfusion aller Organe verkleinern. Die Glomeruläre Filtration sinkt, die Konzentration der harnpflichtigen Stoffe steigt an. Die Blutdrucksenkung kann also (bei völlig gesunden Nieren) zur Niereninsuffizienz führen. Das ist eines der drei Extrarenalsyndrome nach Wilhelm Nonnenbruch. Es handelt sich um das Kardiorenalsyndrom nach Claudio Ronco.

Dr. Wolfgang P. Bayerl 12.08.201407:54 Uhr

ein sehr sehr wichtiger Hinweis auf Übertherapie nicht nur für die Nieren!

.. in unserer mainstream-Medizin mit eindeutig cardiologischer Schlagseite. Schon im Beipackzettel besonders effektiver Diuretika steht das Nierenversagen wozu auch die Hyponatriämie gehört.
Beides, (zu) niedriger Blutdruck und Hyponatriämie schadet auch dem Hirn, gerade im Alter.
Es kommt zu gehäuften Stürzen, SH-Fraktur etc.

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