Ernährung

Zu wenig Salz ist auch nicht gesund

Zu viel Salz mag ungesund sein, allerdings sollte man es auch mit einer salzarmen Diät nicht übertreiben: In einer Studie hatten ältere Teilnehmer mit sehr niedrigem Natriumkonsum eher ein erhöhtes KHK-Risiko

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Salzzufuhr und Blutdruck – ein kontrovers diskutiertes Thema.

Salzzufuhr und Blutdruck – ein kontrovers diskutiertes Thema.

© Fovito / fotolia.com

ATLANTA. Ab wann schadet Salz mehr, als es nutzt? An dieser Frage arbeiten sich seit Jahren Heerscharen von Epidemiologen, Kardiologen und anderen Wissenschaftlern ab, ohne bislang auf einen gemeinsamen Nenner zu stoßen.

Klar ist, ohne Salz kann der Mensch nicht leben, zu viel davon fördert aber einen erhöhten Blutdruck und dürfte auf diese Weise das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko in die Höhe treiben.

Vor allem Fertignahrungsmittel werden verdächtigt, über erhebliche, gut versteckte Salzmengen der kardiovaskulären Gesundheit entgegenzuwirken.

Mit Blick auf den hohen Kalorien- und Fettgehalt von Hamburgern und Fertigpizzen bleibt aber fraglich, ob Salz hier die größte Bedrohung darstellt. Das lässt sich auch mit raffinierten statistischen Methoden nicht klar auseinanderhalten.

Deutsche konsumieren 9 bis 12 g

Jedenfalls treibt die Furcht vor Salz mitunter seltsame Blüten, die sich nicht zuletzt in unrealistischen Empfehlungen niederschlagen: So rät die American Heart Association (AHA) zu nicht mehr als 1,5 g Natrium pro Tag, was gerade einmal 3,8 g Kochsalz entspricht.

 Allerdings schafft dies nur ein winziger Bruchteil der Bevölkerung: In einem US-Survey waren es nur 1,3 Prozent. In Deutschland liegt der mittlere Konsum je nach Umfrage bei 9 bis 12 g Tag. Ist das schlimm?

Glaubt man den Ergebnissen einer Langzeitstudie mit über 2600 älteren Teilnehmern, machen Senioren offenbar nichts falsch, wenn sie derart niedrige Grenzwerte für den Salzkonsum ignorieren, ganz im Gegenteil, sie leben dann vielleicht sogar noch länger (JAMA Intern Med 2015, online 19. Januar).

In der "Health ABC Study" hatten die Rentner (im Mittel 74 Jahre alt) einen Fragenbogen zu ihren Ernährungsgewohnheiten ausgefüllt. Daraus berechneten die Studienautoren um Dr. Andreas Kalogeropoulos von der Emroy Universität in Atlanta die tägliche Natriumaufnahme.

Sie bildeten dann drei Gruppen: Solche, die unter dem strengen AHA-Grenzwert von 1,5 g Natrium am Tag blieben (11 Prozent). Weiteren knapp 30 Prozent gelang es, den etwas weniger strikten Grenzwert von 2,3 g Natrium einzuhalten.

Dieser wird von einigen US-Behörden für Personen unter 50 Jahren und ohne kardiovaskuläre Begleiterkrankungen als oberes Limit empfohlen.

Der größte Teil, also 59 Prozent, lag mit dem Natriumkonsum über 2,3 Gramm pro Tag und damit jenseits von Gut und Böse, wenn man die US-Leitlinien zugrunde legt. Sie nahmen pro Tag im Schnitt dreimal mehr Natrium auf als die Gruppe mit dem leitlinienkonformen Salzkonsum.

Mäßiger Konsum besser?

Zehn Jahre später ging es den Freunden gut gesalzener Mahlzeiten aber nicht schlechter als den Natriumasketen: Die Sterberate im Laufe der Studie war mit 35 versus 34 Prozent ähnlich hoch, am niedrigsten lag sie in der Gruppe mit einem Natriumkonsum von 1,5 bis 2,3 Gramm (31 Prozent).

Allerdings waren die Differenzen nach Berücksichtigung einer Reihe von Begleitfaktoren nicht statistisch signifikant, die Fehlerwahrscheinlichkeit lag bei 7 Prozent.

Wenn überhaupt, dann lebten also die mit mäßigem, aber nicht die mit dem geringsten Salzkonsum am längsten.

Ein vergleichbares Bild ergab sich, wenn die Forscher nach Herz- und Gefäßerkrankungen schauten: 29 Prozent der zu Beginn noch gesunden Teilnehmer entwickelten im Lauf der zehn Jahre eine kardiovaskuläre Erkrankung, knapp 16 Prozent eine Herzinsuffizienz.

 Wiederum waren die jeweiligen Raten in der Gruppe mit einem Natriumkonsum von 1,5 bis 2,3 g am geringsten, und wiederum waren die Unterschiede nicht signifikant.

Dennoch zeigt sich ein auffallendes Muster: Sowohl Menschen mit niedrigem als auch hohem Salzkonsum tendieren zu einem erhöhten Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen.

Daraus ergibt sich eine U-förmige Kurve mit einem Natrium-Optimum irgendwo zwischen 1,5 und 2,3 g pro Tag. Die bisherigen Grenzwerte wären also viel zu niedrig.

Das passt, so die Autoren um Kalogeropoulos, durchaus zu einer Reihe von Studien und Metaanalysen, die zwar ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bei einer hohen Salzaufnahme feststellten; allerdings war dieses Risiko erst bei einem Vielfachen der maximal empfohlenen Natriumaufnahme erkennbar - zum Teil erst bei einer Natriumausscheidung im Urin von mehr als 6 g pro Tag.

Bevor man Empfehlungen für einen sehr niedrigen Salzkonsum bei älteren Menschen ausspricht, sollten Forscher besser untersuchen, welche Bedeutung die Natriumaufnahme bei älteren Menschen hat, raten die Forscher.

Zudem könnten Medikamente und Mangelernährung im Alter den Natriumstoffwechsel beeinflussen. Bis bessere Daten vorliegen, seien 2,3 Gramm als Natriumlimit wohl eher zu empfehlen, schreiben sie.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 06.02.201514:55 Uhr

6 Gramm pro Tag wären angemessen!

Der wesentliche Verteilungsraum von NaCl beim Mensch und allen Säugetieren ist das gesamte Extrazellulärvolumen. "Physiologische Kochsalzlösung" oder "isotonische Kochsalzlösung" ist eine 0.9% tige Lösung von NaCl in Wasser, entsprechend der Konzentration in diesem Extrazelluläraum
was also 9 g Kochsalz auf einen Liter bedeutet.
Jeder Arzt, insbesondere der Anästhesist und Intensivmediziner infundiert also WESENTLICH mehr Kochsalz, als diese merkwürdigen Medizinstatistiker für empfehlenswert halten.
Und das nicht ohne Grund, siehe meinen ersten Beitrag über SH-Fraktur, Ileus und Niereninsuffizienz.
Auch für nicht akut Kranke ist die Hyponatriämie ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko und bei ältere Patienten alles andere als selten.
http://tinyurl.com/mbmcsz5
Alles funktioniert besser bei normalem nicht erniedrigten NaCl -Spiegel,
das Gehirn, der Kreislauf, die Niere, der Darm

Dr. Thomas Georg Schätzler 03.02.201500:15 Uhr

Und der totale Kochsalz-Verzicht...

eines Prof. Dr. med. Karl Lauterbach (SPD), selbsternannter Hypertensiologe, Diabetologe und Präventions-Experte der ersten Stunde, entpuppte sich als reiner Unfug oder Gesundbeterei!

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Thomas Georg Schätzler 03.02.201500:05 Uhr

Kochsalz-Konsum - Eine Frage, die die Welt bewegt!

Kalogeropoulos AP et al. belegen in: "Dietary Sodium Content, Mortality, and Risk for Cardiovascular Events in Older Adults The Health, Aging, and Body Composition (Health ABC) Study" JAMA Intern Med 2015, online 19. Januar; doi: 10.1001/jamainternmed.2014.6278, dass Salzzufuhr und Blutdruck weiterhin ein kontrovers diskutiertes Thema bleiben muss.

Der steigende Kochsalz-Konsum ist eine Frage, die die Welt bewegt: Die exzessive Kochsalzzufuhr der Bevölkerung wird zwar weltweit beklagt und führte zu der wenig belegbaren Meinung, jedes Jahr wäre sie für 2,3 Millionen kardiale Todesfälle verantwortlich. So rechneten Epidemiologen auf einer Fachtagung der American Heart Association in New Orleans 2013 vor. Schon Kleinkinder würden zu häufig mit salzigen Snacks verwöhnt, berichtete ein weiteres Team. Nicht nur in Deutschland und anderen Industrieländern nähmen die Menschen zu viel Salz mit der Nahrung zu sich. Auch in den Schwellen- und Entwicklungsländern sei die Zufuhr in den letzten Jahrzehnten gestiegen: D. Mozaffarian, Harvard School of Public Health, Boston et al. ("Global Burden of Diseases Study" der Weltgesundheitsorganisation WHO) - Abstract 017: "National, Regional, and Global Sodium Intake in 1990 and 2010: A Systematic Analysis of 247 24-hour Urinary Sodium Excretion Studies and Dietary Surveys Worldwide" http://circ.ahajournals.org/cgi/content/meeting_abstract/127/12_MeetingAbstracts/A017?sid=32a5cddc-9cc6-45e7-bd7f-3e5fd39171ca - und -
http://www.eurekalert.org/pub_releases/2013-03/aha-etm031413.php

Aber kardiovaskuläre Todesfälle werden n i c h t nur und ausschließlich durch Kochsalz verursacht. Adipositas, Alkoholabusus,, Alter, Bewegungsmangel, Diabetes, Fehl-, Mangel oder Überernährung, genetische Dispositionen, hormonelle Einflüsse, Hypertonie, Hyperlipidämie, Arteriosklerose, KHK, Nikotinabusus, PAVK sind ebenso zu berücksichtigen

["Eating too much salt contributed to 2.3 million deaths from heart attacks, strokes and other heart-related diseases throughout the world in 2010, representing 15 percent of all deaths due to these causes, according to research presented at the American Heart Association''s Epidemiology and Prevention/Nutrition, Physical Activity and Metabolism 2013 Scientific Sessions."] Diese Schlussfolgerungen des zuvor genannten Autorenteams verwirren vollends, weil ihre Ergebnisser e h e r nahelegen, dass internationale Sterberaten offensichtlich völig u n a b h ä n g i g vom Salzkonsum differieren: "Among the 30 largest countries in the world, those with the highest death rates (per million adults) due to over consuming sodium were:
•Ukraine – 2,109
•Russia – 1,803
•Egypt – 836 ...
Among all countries, the three countries with the lowest death rates (per million adults) due to over consuming sodium were:
•Qatar – 73
•Kenya – 78
•United Arab Emirates – 134...
Für die USA gaben die Forscher den 19. Platz an, mit 429 Todesfällen auf 1 Million Erwachsene, verursacht durch die Zufuhr von zu viel Kochsalz (einer von 10 US-Todesfällen, bezogen auf diese Ursachen) ["The U.S. ranked 19th out of the 30 largest countries, with 429 deaths per million adults due to eating too much sodium (representing 1 in 10 US deaths due to these causes)."].

Die hier von Ärzte Zeitung-Autor Thomas Müller hervorragend referierte Arbeit von Kalogeropoulos A.P. et al. bringt eine viel plausiblere Schlussfolgerung, als das von der WHO favorisierte monokausale Denken: "Sowohl Menschen mit niedrigem als auch hohem Salzkonsum tendieren zu einem erhöhten Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen. Daraus ergibt sich eine U-förmige Kurve mit einem Optimum irgendwo zwischen 1,5 und 3 Gramm. Die bisherigen Grenzwerte wären also viel zu niedrig".

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Wolfgang P. Bayerl 02.02.201517:21 Uhr

Schön, dass man wenigstens mal über die Notwendigkeit von Salz nachdenkt!

"Statistiker" kann man nicht ernsthaft als medizinische Forscher bezeichnen, liebe Ärztezeitung.
Die statistische Betrachtung ohne jede medizinische Vernunft entspricht z.B. einer mittleren Insulingabe aller Deutschen. Das haben leider auch die "Ernährungsberater" des Deutschen Volkes (DGE) nicht verstanden.

1) der Organismus benötigt Kochsalz NaCl nicht in einer absoluten Menge wie einen "Ernährungsanteil",
sondern er ist autoregulatorisch angewiesen auf eine konstante Konzentration einer wässrigen Lösung ("isotonische NaCl-Lösung" des Extrazellulärraumes), sowie auch eines im wesentlichen davon abhängenden Volumens.
Das heist, es besteht eine funktionelle Verbindung zwischen Wasser und Kochsalz.
Sowohl HYPO-Natriämie, wie HYPO-Volämie ist eine krankhafte Störung.

2) dass man überhaupt Kochsalz und Wasser benötigt, liegt an den unvermeidlichen Verlusten,
insbesondere kann die menschliche Niere keinen kochsalzfreien Urin pinkeln, vom Schwitzen ganz abgesehen.

Das sind VITALE Bedürfnisse jedes Menschen, von Säugling (Diarrhoe) bis zum Greis.
Wer also viel trinkt und dabei zu wenig Kochsalz zu sich nimmt, kommt bei "Volksläufen" REGELMÄßIG vor, wandert in die Hyponatriämie bis zu cerebralen Krämpfen.
Damit hat sich besonders die Brüssler Arbeitsgruppe um Decaux G beschäftigt und gezeigt, dass schon eine "leichte" Hyponatriämie (im Alter) die Hirnfunktion stärker behindert als 2 Glas Rotwein. Hyponatriämie ist häufig die Ursache für die "Volkskrankheit" Schenkelhalsfraktur, simple präoperative Infusion von physiologischer Kochsalzlösung erniedrigt die anschließende postoperative Mortalität signifikant, schon mehr als 50 Jahre bekannt, auch ein paralytischer Ileus kann damit (ohne Op natürlich) beseitigt werden.
Mit Diuretika (im Alter) kann man ein Nierenversagen auslösen (hyponatriämische Hypovolämie).

Eine junge kerngesunde Amerikanerin hat in USA einen Trinkwettbewerb gewonnen, kein Alkohol!
und ist noch am gleichen Tag mit einem Hirnödem im Krankenhaus GESTORBEN.

Kochsalz ist lebenswichtig, absolute Werte sind immer zu beziehen auf die aufgenommene Wassermenge (Diurese),
Japaner, die immer noch eine höhere Lebenserwartung als wir besitzen, nehmen bis über 20g TÄGLICH zu sich.

mfG

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Praxisabgabe mit Hindernissen

Warum Kollege Gieseking nicht zum Ruhestand kommt

Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025