Bürokratieabbau in Kliniken

Bayern will Schluss machen mit der „modernen Geißel der Menschheit“

18 Seiten lang ist der Handlungsplan für den „Bürokratieabbau in Bayerischen Krankenhäusern“. Zehn Bereiche macht er aus, in denen Entschlackungspotential steckt. Manche Vorschläge werden schon umgesetzt.

Michaela SchneiderVon Michaela Schneider Veröffentlicht:
Weniger Papier, weniger Bürokratie: Symbolisch vernichteten die Projektpartner einen Ordner voller Akten. Von links: Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek, Bayerns Beauftragter für Bürokratieabbau Walter Nussel, Projektleiter Professor Andreas Beivers und Dr. Christine Adolph, stellvertretende Vorstandsvorsitzende Medizinischer Dienst Bayern.

Weniger Papier, weniger Bürokratie: Symbolisch vernichteten die Projektpartner einen Ordner voller Akten. Von links: Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek, Bayerns Beauftragter für Bürokratieabbau Walter Nussel, Projektleiter Professor Andreas Beivers und Dr. Christine Adolph, stellvertretende Vorstandsvorsitzende Medizinischer Dienst Bayern.

© MIchaela Schneider

München. Eine Sorge war im Vorfeld der Pressekonferenz im Münchner Gesundheitsministerium groß: Was, wenn der Schredder nicht funktionieren sollte? Symbolisch wollte Ministeriumschef Klaus Holetschek (CSU) zusammen mit den Akteuren des Modelprojekts „Bürokratieabbau in Bayerischen Krankenhäusern“ einen Ordner Akten vor den Pressekameras vernichten. Bürokratie titulierte der Gesundheitsminister als „moderne Geißel der Menschheit“. Dinge revidieren, Papier reduzieren und wieder mehr Zeit am Menschen zu haben, lautete sein Credo.

Vier Monate lang hatten Akteure im Zuge des Modellprojekts zusammengearbeitet, die sonst nicht selten eher widersprüchlicher Ansicht sind: Der Medizinische Dienst Bayern, die AOK Bayern, die Bayerische Krankenhausgesellschaft und der Bürokratieabbau-Beauftragte des Freistaats Bayern, Walter Nussel. Die Hochschule Fresenius war beauftragt, das Projekt wissenschaftlich zu begleiten.

Dessen Kernstück: Praxisworkshops in 16 ausgewählten bayerischen Kliniken unterschiedlicher Größenordnung. Nach vier Monaten konnte der wissenschaftliche Projektleiter Professor Andreas Beivers von der Hochschule Fresenius nun einen Leitfaden mit zehn Kernpunkten vorlegen – Forderungen an die Bundespolitik inklusive.

Das sind die zehn Punkte des Handlungsplans

  • weniger Dokumentation und weniger Mehrfachmeldungen;
  • Vereinfachung bei Zusatzentgelten und neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden;
  • aufwandsärmere Strukturprüfungen und Qualitätskontrollen;
  • Entschlackung von Krankenhausabrechnungsprüfungen;
  • Prüfung der Nutzenrelevanz des OPS-Komplexcodes;
  • Optimierung der medizinischen Begründungen;
  • Verbesserung des Einweisungs- und Entlassmanagements;
  • Konturierung und Definition: soziale Indikation;
  • Etablierung eines Modellprojekts zu „Vorabprüfungen“ sowie
  • Stärkung von Digitalisierung und Automatisierung.

Erste konkrete Erfolge beim Bürokratieabbau

Reine Theorie? Nein, erste konkrete Erfolge in Sachen Bürokratieabbau können die Beteiligten nach eigenen Angaben schon verbuchen – unter anderem im Zuge der jährlichen Budgetverhandlungen der Krankenhäuser. Zeitintensiv gestalten sich hier etwa regelmäßig die Individualverhandlungen der Kliniken mit den Kostenträgern in Bezug auf die Vereinbarung von Zusatzentgelten für einige neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (sogenannte NUB). 2023 erarbeiteten die Vertragspartner, sprich Krankenhausträger und Sozialleistungsträger, laut Dr. Tobias Hermann, Bereichsleiter der AOK Bayern, erstmals „gemeinsame Hinweise“.

Mit anderen Worten: Sie führten Musterverhandlungen als gemeinsame Basis, an denen sich Kliniken und Krankenlassen dann im Zuge der Individualverhandlungen orientieren konnten. Diese konnten dadurch laut Hermann deutlich abgekürzt werden.

In einzelnen Bereichen entschlackt werden konnten nach Angaben von Dr. Christine Adolph, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes Bayern (MD), zudem die Qualitäts- und Rechnungsprüfungen durch den MD. Das so genannte „Leistungserbringer-Portal“ (LE) zur digitalen Übertragung aller erforderlichen Daten hob sie als besondere Errungenschaft hervor. Fast 98 Prozent der bayerischen Kliniken seien inzwischen angeschlossen. Wo früher dicke Krankenakten per Post verschickt werden mussten, geschehe die Kommunikation zwischen MD und Krankenhäusern inzwischen digital.

Weniger Mehrfachprüfungen

Als weiteres Manko im Prüfwesen kristallisierten sich beim Praxischeck in den Kliniken die vielen Doppelprüfungen heraus. Zumindest in einem kleinen Bereich konnten sich die Projektpartner nun auf eine Vereinfachung einigen: Gemeinsam mit den vier bayerischen Schlaganfall-Netzwerken vereinbarte der Medizinische Dienst mit der Bayerische Krankenhausgesellschaft, ab dem Jahr 2023 nur noch eine einmalige Strukturprüfung von definierten Unterlagen durchzuführen. Damit werden die 33 Satellitenkliniken, die mit den Netzwerkzentren verbunden sind, von der Pflicht entlastet, Unterlagen vorzulegen.

Zwei weitere Absprachen, die auf dem Pressetermin genannt wurden: Der MD will die turnusmäßigen Strukturprüfungen frühzeitig ankündigen. Und Videobegehungen bei Abrechnungsprüfungen sollen einen aufwandsärmeren digitalen Kontakt zu Krankenhäusern ermöglichen.

Auch die Krankenhäuser selbst wollen die Digitalisierung und Automatisierung weiter vorantreiben: Im September wird die von der Bayerischen Krankenhausgesellschaft initiierte Klinik IT Genossenschaft starten, um durch Kooperationen im IT-Bereich weitere Kräfte zu bündeln, wie deren Geschäftsführer Robert Engehausen erläuterte. „Wir müssen uns verabschieden vom Gedanken, 100 Prozent Sicherheit herzustellen“, sagte der Bürokratieabbau-Beauftragte Nussel. Das werde man „auch durch noch so viel Dokumentation und Richtlinien nicht hinbringen“.

Auch Gespräche mit Niedergelassenen nötig

Auf eine weitere Herausforderung verwies Gesundheitsökonom Andreas Beivers: „Viel soll heute ambulant gemacht werden, aber die Patienten haben das häusliche Umfeld dafür nicht.“ Es sei in Zukunft wichtig, auch in die engere Kommunikation mit den niedergelassenen Ärzten zu gehen.

Apropos: Mit ihnen will das Gesundheitsministerium in naher Zukunft ebenfalls an Wegen arbeiten, um Bürokratie abzubauen. Ein erstes Gespräch ist noch im September geplant.

Und wie stand es nun beim Pressetermin um den Schredder? Er funktionierte – abgesehen von einem Papierstau.

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