Ärztekammer im „Live-Talk“
Bis 2030 fehlen 1000 Hausärztinnen und Hausärzte in Niedersachsen
Vor der Landtagswahl in Niedersachsen diskutierte Kammerpräsidentin Wenker mit Politkern über die Herausforderungen des Gesundheitswesens im Bundesland: ÖGD, Hausarztmangel und Bürokratie und Breitband.
Veröffentlicht:Hannover. Die Arbeit im öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) müsse für Ärztinnen und Ärzte interessanter werden. Das betonte Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) während des „Live-Talks“, den die Ärztekammer Niedersachen (ÄKN) am Montagabend zum zweiten Mal zur Landtagswahl am 9. Oktober ausgerichtet hat. „Die Kommunen haben alles in die Waagschale geworfen, beim ÖGD in Niedersachsen ist während der Pandemie nichts schief gelaufen“, so Behrens. „Aber wir müssen die Ärztinnen und Ärzte mehr für den ÖGD interessieren!“
Zu Gast waren neben der Ministerin auch der Landtagsabgeordnete Volker Meyer (CDU) und Dr. Martina Wenker, Präsidentin der ÄKN. Sie betonte, das Engagement der Ärztinnen und Ärzte in den Gesundheitsämtern habe während der Pandemie „auch positive Impulse gesetzt.“
So würden die Gesundheitsämter jetzt viel stärker wahrgenommen. Im Übrigen würden sich die Ärztinnen und Ärzte im ÖGD über eine bessere Entlohnung freuen“, so Wenker. Volker Meyer, für seine Partei Mitglied im Gesundheitsausschuss des Landtages, mahnte eine bessere Vernetzung der Gesundheitsämter an. „Wir brauchen bessere Datenschnittstellen“, sagte Meyer.
Gründungsberatung zur Niederlassung?
Besonders die ambulante Versorgung mit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten wächst sich in Niedersachsen zu einem enormen Problem aus. Bis 2030 fehlen nach Angaben der KV Niedersachsen 1000 Hausärztinnen und Hausärzte. „Wir locken schon mit Bauplätzen für niederlassungswillige Ärzte und mit fertig ausgestatteten Praxen. Aber vielleicht brauchen wir auch so etwas wie eine Gründungsberatung, um den jungen Ärztinnen und Ärzten wieder mehr Lust zu machen auf Selbstständigkeit“, sagte Behrens.
Wie gut die Qualität der ärztlichen Arbeit ist und wie zehrend die Bürokratie in Klinik und Praxis, darauf wies Wenker hin. Nur 0,4 Prozent der in der externen stationären Qualitätssicherung erfassten Datensätze seien laut Sachverständigenratsgutachten auffällig: „Wir brauchen also nicht ohne Ende diesen Kontrollwahn, diese fürchterlich Bürokratie!“, sagte sie. „Ich würde Sie beide ermuntern, ihre guten Kontakte zur Bundesebene und zur GMK zu nutzen, um gegen die Bürokratie vorzugehen“, so Wenker zu Behrens und Meyer.
Baustelle Breitbandausbau
Behrens verspricht sich allerdings wenig vom Engagement auf Bundesebene für den Bürokratieabbau. „Man sollte sich vielmehr in Niedersachsen zusammensetzen, und gucken: Was brauchen wir und was nicht? Und dann starten wir ein Modellprojekt“, so Behrens. „Wir haben kein Erkenntnisdefizit, wir haben ein Handlungsdefizit!“
Eine weitere Baustelle in Niedersachsen ist der mangelnde Breitbandausbau. „Ich bin jetzt anderthalb Jahre Gesundheitsministerin,“ sagte Behrens, „und ich bin fassungslos, dass wir es in all den Jahrzenten nicht fertiggebracht haben, das Thema Digitalisierung voran zu bringen. Das ist ein Armutszeugnis für die gesamte Gesundheitsbranche!“ Niedergelassene Ärzte bekämen einen Wutanfall, komme die Sprache auf den Konnektorenaustausch. Behrens: „Das kann ich den Ärzten nicht übel nehmen.“