Kliniken und Pflegeheime
Corona-Impfpflicht: Regionalpolitiker in Sachsen stellen sich quer - und rudern zurück
Da nur zwei Drittel der 300.000 Beschäftigten im sächsischen Gesundheitswesen geimpft sind, fordern Politiker, die Impfpflicht ab 16. März nicht umzusetzen. Dann fühlen sie sich missverstanden.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Bautzen. Aussagen des Bautzener Vize-Landrats Udo Witschas (CDU) zur Impfpflicht für Pflegekräfte haben am Dienstag für Aufregung in der sächsischen Politik gesorgt. Der stellvertretende Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) sagte nach einer Kabinettssitzung, dass das Verhalten des Kommunalpolitikers inakzeptabel sei. Man dürfe nicht zulassen, dass zu einem Rechtsbruch aufgerufen werde - darin sei sich die Koalition einig.
„Herr Witschas belügt die Menschen. Er belügt die Menschen, indem er ihnen suggeriert, als könne er entscheiden, eine gesetzliche Regelung anzuwenden oder auch nicht“, sagte Dulig. Witschas spiele mit Akzeptanz und dem Vertrauen, das gerade in diesen Zeiten so bitter notwendig sei. „Deshalb verurteilen wir das Verhalten von Herrn Witschas auf das Schärfste.“ Laut Angaben des Innenministeriums wurde Landrat Michael Harig (CDU) von der Landesdirektion zu einer Stellungnahme zu den Aussagen seines Stellvertreters aufgefordert.
Vize-Landrat fühlt sich falsch verstanden
Der Vize-Landrat hatte am Montagabend angekündigt, dass der Landkreis die berufsbezogene Impfpflicht für Pflegekräfte und Krankenhauspersonal ab Mitte März nicht umsetzen wolle. „Wenn Sie mich danach fragen, was das Gesundheitsamt des Landkreises Bautzen machen wird ab dem 16.3., dann werden wir, unser Gesundheitsamt, unseren Mitarbeitern im Landkreis Bautzen in der Pflege und im medizinischen Bereich kein Berufsverbot aussprechen“, sagte Witschas vor Teilnehmern einer Corona-Demonstration in Bautzen. Ein Video davon kursiert inzwischen in den Kanälen der rechtsextremen „Freien Sachsen“.
Am Dienstag sagte Witschas, dass seine Aussagen falsch verstanden worden seien. Es stehe außer Frage, dass der Landkreis als untergeordnete Behörde das Infektionsschutzgesetz einhalte, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Der Landkreis könne das Gesetz als untergeordnete Behörde auch nicht außer Kraft setzen. „Aus den Gründen der Versorgungssicherheit, die müssen wir gewährleisten, können wir mit dem Datum 16.3. aus der heutigen Sichtweise kein Betretungsverbot aussprechen und damit wollten wir den Mitarbeiterinnen die Angst nehmen“, erklärte Witschas.
Das Personal in der Pflege sei ohnehin schon knapp. Weitere Ausfälle könnten aus seiner Sicht dafür sorgen, dass die Belastung für die verbliebenen Mitarbeiter weiter steige. Daher hätten er und Landrat Harig sich die Frage gestellt, wie man mit dem Fall einer berufsbezogenen Impfpflicht ab dem 16. März umgehe.
Landkreis fürchtet Versorgungsnotstand
Der Landkreis Bautzen hatte zuvor bereits klargestellt, dass die berufsbezogene Impfpflicht für Pflegekräfte und Krankenhauspersonal auch dort gelten werde. Die Landesdirektion Sachsen habe mit Blick auf Einträge in den sozialen Medien gebeten, die Aussagen von Witschas einzuordnen, teilte das Landratsamt am Dienstag mit. Die durch den Bundestag beschlossene Impfpflicht werde umgesetzt - allerdings stehe die Versorgungssicherheit in Kliniken, Heimen und beim ambulanten Pflegedienst an erster Stelle, hieß es.
Am Montag hatte sich bereits Landrat Harig in einem Brief an Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) gewandt. Darin bat er Kretschmer, sich gegenüber dem Bund für eine Verschiebung oder Aufhebung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht einzusetzen. „Eine konsequente Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht wird erkennbar zu größeren Problemen in der Versorgung und Betreuung hilfsbedürftiger Menschen führen“, heißt es in dem Schreiben.
Aus Sicht des Bautzener Oberbürgermeisters Alexander Ahrens (SPD) waren die Aussagen des Vize-Landrats „nicht vertrauensbildend“. Man könne inhaltlich über eine Impfpflicht diskutieren. Witschas habe sich jedoch ohne Not eindeutig positioniert. „Es ist sachlich falsch, was er sagt“, sagte Ahrens. Die Aussagen seien eine klare Ankündigung, geltendes Recht zu brechen.
Köpping will Spielräume ausloten
Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) sagte nach der Kabinettssitzung, die Landesregierung setze sich dafür ein, die Impfpflicht durch einen bundesweit einheitlichen Erlass zu regeln. Darin würde auch die Versorgung der Einrichtungen sichergestellt. Es könne verschiedene Spielräume bei der Umsetzung der Impfpflicht geben - etwa dass sich Pflegekräfte impfen lassen, wenn der Totimpfstoff des Herstellers Novavax zur Verfügung steht.
Der Sprecher der sächsischen AfD-Landtagsfraktion für Regionalentwicklung, Thomas Thumm, sagte am Dienstag, dass alle Landkreise nach dem Vorbild des Landkreises Bautzen von der Durchsetzung der Impfpflicht absehen sollten. Schon ein Verlust von fünf bis zehn Prozent der Pflegekräfte führe zu einem gravierenden Versorgungsnotstand.
Mitte Dezember war die sogenannte einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht beschlossen worden: Beschäftigte in Einrichtungen mit schutzbedürftigen Menschen wie Kliniken und Pflegeheime müssen bis zum 15. März 2022 nachweisen, dass sie gegen Corona geimpft oder von Corona genesen sind.
In Sachsen sind derzeit nach Angaben der Gesundheitsministerin nur rund 65 Prozent der etwa 300.000 Arbeitskräfte im medizinischen und pflegerischen Bereich geimpft. Darüber hatte sich Köpping bereits in der Vergangenheit besorgt gezeigt. (dpa)