Kommentar zur Impfpolitik im Saarland
Dünnhäutige Reaktion im Zoff um Impfpolitik
Oft sind Reaktionen mindestens so interessant wie die Anlässe dafür – so auch bei dem Einspruch der saarländischen Ärzteschaft gegen die Corona-Impfpolitik. Die Resolution ist ein Dokument der Frustration, denn zwei Monate vor einer Landtagswahl das Gesundheitsministerium noch zu einer Kursänderung zu bewegen, ist natürlich eine Illusion.
Manchmal muss man aber Dampf ablassen, um den Ärger nicht in sich hinein zu fressen und in Fatalismus zu verfallen. Die dünnhäutige Reaktion der Ministerin bestätigt den Eindruck, dass in ihrem Haus weder emotional noch rational der Protest richtig verstanden wird. Sonst hätte sie erstmal mit den Betroffenen alleine gesprochen und nicht die Armada der Landräte mit eingeladen. Schon bei der Bilanz-Pressekonferenz zu einem Jahr Impfen saßen zwei Landräte neben der Ministerin, aber kein Vertreter der niedergelassenen Ärzte, die den Großteil der Impfungen geschultert hatten. Geglückte Polyamorie ist schon im Privatleben selten, in der Politik offenbar eine Illusion.
KV-Vertreterversammlung
Corona-Impfpolitik: Saar-Praxen sehen sich benachteiligt
Und es trägt auch auf Dauer nicht, wenn das Ministerium für die unbestreitbaren Impferfolge im Saarland alleine die Meriten einstreichen will, für Fehlentwicklungen aber stets nach Berlin verweist. Die Impfzentren leeren sich, aber die Landesregierung betreibt ihre finanzielle Absicherung bis Ende des Jahres und hat sich auch noch für das Mitimpfen von Tierärzten und Apotheken stark gemacht. Wie schön wäre ein vergleichbares Engagement für die Medizinischen Fachangestellten, zumindest für eine Neuauflage der Steuerfreiheit für einen Corona-Bonus.
Bei Novavax werden die Praxen zunächst auch wieder in die Röhre schauen. Kein Wunder, dass bei dem gesamten Kuddelmuddel der Ärger sich Bahn bricht. Das Ministerium fabriziert täglich Meldungen mit Ankündigungen, Rekorden und Erfolgen. Bei einem derartigen Tunnelblick wird öffentlicher Protest gerne mal als kränkend oder gar Majestätsbeleidigung empfunden. Dabei ist eines sicher: Ohne offenen Diskurs gibt es keinen Fortschritt.