Nordrhein-Westfalen
Land will im Corona-Pandemiegesetz mehr Macht
Landesregierung plant ähnlich wie in Bayern ein Gesetz, das dem Staat in der Corona-Pandemie direkten Durchgriff auf das Gesundheitswesen eröffnet.
Veröffentlicht:Düsseldorf. Nach Bayern will auch Nordrhein-Westfalen ein Gesetz auf den Weg bringen, das der Politik bei der Corona-Pandemie weitreichende Eingriffsmöglichkeiten in die medizinische Versorgung ermöglichen würde. Betroffen davon wären auch die niedergelassenen Ärzte.
Der Entwurf für ein „Gesetz zur konsequenten und solidarischen Bewältigung der COVID-19-Pandemie in Nordrhein-Westfalen und zur Anpassung des Landesrechts im Hinblick auf die Auswirkungen einer Pandemie“ soll nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa bereits am Mittwoch in den Düsseldorfer Landtag eingebracht und eventuell sogar schon verabschiedet werden.
Zwangsdienst für Ärzte möglich
Der Entwurf für das Epidemie-Gesetz sieht Maßnahmen für eine „epidemische Lage von landesweiter Tragweite“ vor. Er gibt den zuständigen Behörden unter anderem die Möglichkeit, „Personen, die zur Ausübung der Heilkunde befugt sind oder über eine abgeschlossene Ausbildung in der Pflege, im Rettungsdienst oder in einem anderen Gesundheitsberuf verfügen“ zum Einsatz im Kampf gegen die Epidemie zu verpflichten. Solche Maßnahmen sind nur dann zulässig, wenn die Landesregierung neben der epidemischen Lage einen erheblichen Mangel an medizinischem oder pflegerischem Personal festgestellt hat.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Ärztekammern können gezwungen werden, den Behörden Namen, Alter, Fachrichtung und Kontaktdaten ihrer Mitglieder zu nennen, inklusive derer, die bereits im Ruhestand sind.
Bei einer Pandemie könnte das Landesgesundheitsministerium Krankenhäuser zur Beschaffung von Behandlungskapazitäten zwingen. Auch die Befugnisse des Ministeriums im öffentlichen Gesundheitsdienst werden ausgeweitet. So darf es „die zur Erfüllung der Aufgaben nach dem Infektionsschutzgesetz erforderlichen Untersuchungs- und Versorgungsstrukturen“ vorgeben und „die Beteiligten des Gesundheitswesens im Rahmen ihrer jeweiligen gesetzlichen Aufträge zu einer Beteiligung an diesen Strukturen“ verpflichten.
Einkauf zu „normalen Preisen“
Die schwarz-gelbe Landesregierung zieht in dem Gesetzentwurf auch Konsequenzen aus der aktuellen Knappheit von Schutzmaterialien: Die Behörden würden künftig in die Lage versetzt, bei Unternehmen medizinisches, pflegerisches und sanitäres Material sicherzustellen und „zu einem normalen Preis“ einzukaufen.
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Der Entwurf räumt der Politik auch neue Handlungsspielräume bei Schulen und Universitäten ein. So soll das NRW-Schulministerium das Recht bekommen, Abschlussprüfungen an Schulen und an Universitäten auszusetzen.
Die Berichte über den Gesetzentwurf haben den NAV-Virchow-Bund auf den Plan gerufen. Der Verband sehe die geplante Zwangsverpflichtung von Ärzten mit großer Sorge, schreibt der Vorsitzende Dr. Dirk Heinrich in einem offenen Brief an NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann.
Die Regelungen des Gesetzes zu Ausnahmen und zu Entschädigungsleistungen nähmen nur den stationären Sektor in den Blick, kritisiert Heinrich. „Der niedergelassene Bereich, so entsteht der Eindruck, ist ein blinder Fleck für die Landesregierung.“
Er bezeichnet das nahezu vollständige Ignorieren der Situation niedergelassener Ärzte als erschreckend. Vor Verabschiedung des Gesetzentwurfes muss nach Überzeugung des NAV-Virchow-Bundes geklärt werden, wie die Patienten der rekrutierten Praxisärzte fortan versorgt werden und wie der Verdienst- und Umsatzausfall der Ärzte kompensiert werden soll. „Wenn Sie auf niedergelassene Ärztinnen und Ärzte im Zuge der Corona-Pandemie zurückgreifen wollen, muss dieser Gesetzentwurf diesbezüglich dringend nachgebessert werden“, nimmt Heinrich Laumann in die Pflicht.