Niedersachsen

Nicht nur auf dem Land: Hausarztmangel erreicht eine Großstadt

Wenn von Hausarztmangel gesprochen wird, denken viele an ländliche Regionen. In Niedersachsen hat es nun die Stadt Salzgitter erwischt. Unter anderem Investitionskostenzuschüsse sollen den Nachwuchs überzeugen.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
In Salzgitter sind derzeit 17 Hausarztpraxen unbesetzt.

In Salzgitter sind derzeit 17 Hausarztpraxen unbesetzt.

© Swen Pförtner/dpa

Salzgitter. Der Hausärztemangel erreicht in Niedersachsen nach Angaben der KV des Landes erstmals eine Großstadt. Die Industriestadt Salzgitter mit mehr als 100.000 Einwohnern im Südosten Niedersachsens hat seit geraumer Zeit die Probleme der Provinz: drohende Unterversorgung bei der hausärztlichen Versorgung. Die schwierige Lage hat die KV Niedersachsen (KVN) bewogen, erstmals Investitionskostenzuschüsse und Umsatzgarantien für zwei Hausärztinnen oder Hausärzte in einer Großstadt auszuloben. Die Stadt Salzgitter arbeitet unterdessen an einem Hausärztekonzept, sieht eigene Unterstützungsmaßnahmen aber mit Skepsis.

Derzeit sind 17 Hausarztpraxen der Stadt unbesetzt. Der Versorgungsgrad liegt laut KVN bei 79,3 Prozent. Ab 75 Prozent gilt eine Region als unterversorgt. Nur in fünf der insgesamt 104 niedersächsischen Planungsbereiche sind die Versorgungsgrade schlechter, schreibt die KVN. Das Durchschnittsalter der Hausärzte in Salzgitter liegt bei 58 Jahren.

„Grauer Charme“ schätzt nicht jeder

Hausarzt Dr. Stefan Voges aus Salzgitter-Bad ist denn auch pessimistisch, was den Nachwuchs angeht. Voges hat anderthalb Jahre lang ohne Erfolg nach einem Nachfolger gesucht und dann im vergangenen Jahr seine Praxis geschlossen. 34 Jahre lang war der 67-Jährige in Salzgitter Hausarzt. Aber Keine Nachfolgerin, kein Nachfolger mochte nach Salzgitter kommen. „Es gibt noch eine Menge Kollegen hier, die eigentlich dichtmachen wollen aber trotzdem weitermachen“, sagt Voges.

Gewiss, die Stadt sei eine Industriestadt, geprägt vom Stahlkocher Salzgitter AG, von Bosch oder MAN, berichtet der Hausarzt. Und der Ruf der Stadt sei nicht der beste – zu Unrecht, wie Voges betont. Stefan Hofmann, Geschäftsführer der KVN-Bezirksstelle in Braunschweig, spricht vom „grauen Charme“ der Stadt.

Geld alleine keine Triebfeder

Nun steuert die KVN gegen und bietet Hausärztinnen oder Hausärzten, die sich in Salzgitter niederlassen wollen, einen Investitionskostenzuschuss von bis zu 50.000 Euro. „Geld ist für die jungen Ärztinnen und Ärzte zwar ein Kriterium, aber keine Triebfeder“, ordnet Hofmann den Nutzen der KV-Zuschüsse ein. Manche jungen Ärzte wissen den grauen Charme samt Zuschuss offenbar zu schätzen. Kürzlich habe sich ein junger Hausarzt zur Niederlassung in Salzgitter entschlossen, berichtet Hofmann.

Zugleich habe die KVN der Stadt Salzgitter mehrfach angeboten, gemeinsame Konzepte zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung zu entwickeln, schreibt die KV. Salzgitters Gesundheitsdezernent, Dr. Dirk Härdrich, reagiert zurückhaltend auf die Avancen der KVN und verweist auf den Sicherstellungsauftrag. „Grundsätzlich ist es rechtlich die Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen, die Versorgung mit hausärztlichen Leistungen sicherzustellen“, so Härdrich auf Nachfrage.

Einfach zu wenig Mediziner ausgebildet

Dennoch habe der Rat der Stadt Salzgitter die Verwaltung beauftragt, ein Hausärztekonzept zu erarbeiten. „Natürlich wird es dabei um die Frage gehen, welche Unterstützungsmaßnahmen denkbar sind und welchen Umfang z.B. räumliche oder materielle Unterstützungen für bestehende oder neue Hausarztpraxen haben könnten“, schreibt Härdrich. Es gehe um Akquise von Räumlichkeiten, um Unterstützung bei der Gründung oder Stipendien.

„Allerdings ist eine Anwerbekonkurrenz unter den Kommunen auf Dauer auch keine Lösung, weil das genau jene Kommunen benachteiligt, die aufgrund ihrer Gesamtsituation schon jetzt Schwierigkeiten haben, Ärztinnen und Ärzte anzuwerben“, so Härdrich. Er setzt dagegen auf die Landarztquote und mehr Studienplätze.

Hausarzt Voges meint, man habe in den letzten zehn, 15 Jahren versäumt, mehr Ärzte auszubilden. Die Situation in Salzgitter werde angespannt bleiben, sagt Voges: „Man kann sich die Doktors eben nicht backen.“

Mehr zum Thema

Asylanträge abgelehnt

48.000 Unterschriften gegen Abschiebung von Pflegern

Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Kommentare
Nachfolge besiegelt? Ist die Praxis gut in Schuss und die Lage akzeptabel, dann kann der Erlös ein schönes zusätzliches Einkommen fürs Alter bringen.

© Robert Kneschke / stock.adobe.com

Deutsche Apotheker- und Ärztebank

Praxisabgabe: Nicht so schwer, wie gedacht

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: apoBank
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Im Vordergrund Savanne und eine Giraffe, im Hintergrund der Kilimandscharo.

© espiegle / stock.adobe.com

Erhöhtes Thromboserisiko

Fallbericht: Lungenembolie bei einem Hobby-Bergsteiger

Die Autorinnen und Autoren resümieren, dass eine chronische Lebererkrankungen ein Risikofaktor für einen schweren Verlauf einer akuten Pankreatitis ist. Sie betonen aber, dass für eine endgültige Schlussfolgerungen die Fallzahlen teils zu gering und die Konfidenzintervalle zu weit sind.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Mehr Komplikationen, höhere Sterblichkeit

Akute Pankreatitis plus CLD – eine unheilvolle Kombination

Einweg-E-Zigaretten

© Moritz Frankenberg / dpa

Vaping

Konsum von fruchtigen E-Zigaretten im Trend