Reaktionen auf Brandbrief
Pädiatrische Versorgung im Norden: „Zustände sollten Politikern Schamesröte ins Gesicht treiben“
Die öffentlich gemachten Versorgungsprobleme an der Uniklinik Rostok haben Wellen geschlagen. Der Pädiater-Verband positioniert sich nun eindeutig – und es gibt auch Lösungsvorschläge.
Veröffentlicht:Rostock. Die von Chefärzten öffentlich gemachten Versorgungsprobleme am Universitätsklinikum Rostock beschäftigen auch die niedergelassenen Ärzte. Insbesondere Pädiater spüren, dass es zu wenige Kollegen an der Universitätsklinik gibt. Der Vorsitzende des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Andreas Michel, kritisierte im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“, dass die stationäre Situation der Pädiatrie erst seit dem Brandbrief der Rostocker Chefärzte diskutiert wird.
Er nimmt die Situation in Rostock als ein „eklatantes Politikversagen“ wahr: „Diese Zustände sollten den Politikern die Schamesröte ins Gesicht treiben“. Unverständlich ist für ihn vor allem, dass die pädiatrische Situation ausgerechnet in der Hansestadt, wo keine privaten Träger den Ton angeben, so prekär werden konnte.
Ärzte haben sich geopfert
In Rostock gibt es neben der landeseigenen Universitätsklinik noch das kommunal getragene Südstadtklinikum. Der dortige Chefarzt der Klinik für Neonatologie, Dr. Dirk Olbertz, hatte bereits im April auf eine unzureichende Finanzierung der Kinder- und Jugendmedizin hingewiesen – allerdings in Zusammenhang mit den bundesweiten Finanzierungsregeln.
Nach Wahrnehmung von Michel konnte die pädiatrische Versorgung an manchen Standorten im Land bislang nur aufrechterhalten werden, weil sich viele seiner Kollegen aufgeopfert hätten. Politiker müssten die Frage beantworten: „Wollen wir Geld sparen oder Kinder versorgen?“ Für Michel ist die Antwort klar: „Wir müssen in die Pädiatrie Geld investieren.“ Dies gelte nicht nur für Rostock: „Es müssen zukunftsfähige Strukturen für die Pädiatrie im ganzen Land geschaffen werden.“
Wie berichtet hatte es immer wieder auch Hinweise von anderen Klinikstandorten im Nordosten gegeben, dass zum Beispiel zu wenig ärztliches Personal gefunden wird. Kurz vor der Landtagswahl – in Mecklenburg-Vorpommern wird am 26. September auch ein neuer Landtag gewählt – wird das Thema zum Politikum. Für Michel steht fest: „Die Landesregierung hat sich nicht gekümmert.“
Zu wenig Nachwuchs in Sicht
In der Kritik steht mit Wissenschaftsministerin Bettina Martin (SPD) unter anderem eine langjährige Weggefährtin von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Deren Parteikollege Andreas Butzki versuchte nach einer Sondersitzung des Bildungsausschusses, die Wogen zu glätten. Das Ministerium habe nach dem Brandbrief schnell reagiert und finanzielle Hilfen auf den Weg gebracht, so Butzki. Nach Angaben des bildungspolitischen Sprechers seiner Fraktion ist die Zahl der Beschäftigten an der Uni-Medizin trotz gesunkener Versorgungszahlen seit 2017 gestiegen. „Die Ärztestellen wurden von rund 430 auf jetzt mehr als 480 erhöht und auch die Stellen für Pflegefachkräfte sind von etwa 800 auf rund 1000 gestiegen“, sagte Butzki.
Nach seiner Ansicht müssten die Fallpauschalen für die Kinder- und Jugendmedizin grundsätzlich verändert werden: „Dieser Bereich kostet weitaus mehr Geld, als über die Abrechnungen zugewiesen wird, weil er zumeist zeitintensiver und aufwendiger ist.“
Personal für Weiterbildung fehlt
Michel reicht das nicht. Er fordert zukunftsfähige Strukturen für die Versorgung im ganzen Land. „Wir brauchen eine Antwort auf die Frage, wie wir vor dem Hintergrund einer zunehmend ambulant stattfindenden Versorgung der Kinder und Jugendlichen die ambulante, stationäre, spezialärztliche und Notfallversorgung in unserem Land organisieren wollen. Eng damit verbunden ist, dass die prekäre Lage in den Kliniken uns auch ein großes Nachwuchsproblem beschert“, sagte der in Greifswald niedergelassene Michel.
Ähnlich äußerte sich der in Rostock niedergelassene Pädiater Hagen Straßburger. Das Nachwuchsproblem an der Rostocker Uniklinik ist nach seiner Beobachtung entstanden, weil die ärztliche Personaldecke für die Weiterbildung der Assistenten oft nicht reicht. Das gleiche gilt für die Versorgung – viele Patienten wenden sich an die niedergelassenen Pädiater mit Problemen aus Subdisziplinen, die an die Uniklinik gehören – dort gibt es aber mitunter keinen Ansprechpartner.
Als Beispiele nannte er die Kinderkardiologie und -rheumatologie. „Eltern müssen dafür mit ihren Kindern nach Berlin oder Hamburg fahren“, berichtet Straßburger. Die verbliebenen pädiatrischen Kollegen an der Uniklinik schätzt er und weiß um deren Probleme. „Es kann nicht sein, dass die Versorgung in einer Subdisziplin an der Uniklinik an einer Person hängt“, sagte Straßburger.