Erste Daten aus Feldstudie

SARS-CoV-2-Infektionen: Diskussion um Heinsberg-Studie

Schon vor dem Osterwochenende hatte die Heinsberg-Studie des Bonner Virologen Professor Hendrik Streeck Kritik hervorgerufen. Über die Feiertage nahm die Diskussion weiter Fahrt auf.

Von Oliver Auster und Carsten Linnhoff Veröffentlicht:
Hendrik Streeck, Direktor des Institut für Virologie an der Uniklinik in Bonn, präsentierte die ersten Zwischenergebnisse des Forschungsprojekts «Covid-19 Case-Cluster-Study», das derzeit in Heinsberg durchgeführt wird.

Hendrik Streeck, Direktor des Institut für Virologie an der Uniklinik in Bonn, präsentierte die ersten Zwischenergebnisse des Forschungsprojekts «Covid-19 Case-Cluster-Study», das derzeit in Heinsberg durchgeführt wird.

© Federico Gambarini/dpa

Bonn/Berlin. Im Streit um die Veröffentlichung eines Zwischenergebnisses der Heinsberg-Studie haben der Bonner Virologe Professor Hendrik Streeck und sein Team über Ostern Kritik zurückgewiesen. Der Berliner Virologe Professor Christian Drosten meldete Nachfragen zu der Studie an. „Vorwürfe“ oder einen „Verriss“ der Ergebnisse gebe es von seiner Seite nicht.

Dem „Tagesspiegel“ aus Berlin sagte Streeck an Ostersonntag, dass die Feldstudie alle Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO einhalte. „Wir übererfüllen sogar diese Empfehlungen“, sagte Streeck zu der Studie in der vom Coronavirus besonders betroffenen Gemeinde Gangelt in Nordrhein-Westfalen. Auch wies der Virologe Kritik zurück, das Zwischenergebnis sei zu früh veröffentlicht worden.

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„Die Veröffentlichung ist keinesfalls leichtfertig erfolgt. Wir haben bis in die Nacht auf Donnerstag darüber diskutiert, ob wir jetzt erste Daten präsentieren sollen. Wir entschieden uns dazu aus ethischen Gründen, und weil wir uns verpflichtet fühlten, einen nach wissenschaftlichen Kriterien erhobenen validen Zwischenstand vor Publikation mitzuteilen.“ Das sei absolut üblich.

„Voreilige und sichtlich unüberlegte Schlüsse“

Der an der Studie ebenfalls beteiligte Direktor des Instituts für Klinische Chemie und Pharmakologie der Uni Bonn, Gunther Hartmann, zeigte sich im Gespräch mit der „taz“ betroffen: „Es ist schade, dass Kollegen uninformiert voreilige und sichtlich unüberlegte Schlüsse ziehen, die das Bild in den Medien derart verzerren. Weiterhin möchten wir darauf hinweisen, dass alle beteiligten Wissenschaftler bei Konzeption, Design und Präsentation der Studie unabhängig von Interessen Dritter sind, einschließlich der Medienfirma Storymachine.“

Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums unterstützt die Landesregierung die Studie mit 65.315 Euro. Demnach werden mit dem Geld Corona-Tests und medizinische studentische Hilfskräfte finanziert.

Streeck hatte am Donnerstag im Beisein von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) erste Ergebnisse seiner Studie im vom Coronavirus besonders betroffenen Landkreis Heinsberg vorgestellt und sich für Lockerungen der aktuellen Maßnahmen ausgesprochen.

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Den Zwischenergebnissen zufolge haben 15 Prozent der Bürger in der Gemeinde Gangelt nun eine Immunität gegen das Virus ausgebildet. Die Wahrscheinlichkeit, an der Krankheit zu sterben, liegt demnach bezogen auf die Gesamtzahl der Infizierten bei 0,37 Prozent. Die in Deutschland derzeit von der amerikanischen Johns-Hopkins-Universität berechnete entsprechende Rate liegt mit 1,98 Prozent um das Fünffache höher.

Die Studie ist allerdings auf Kritik anderer Wissenschaftler gestoßen. Man könne aus Streecks Pressekonferenz „gar nichts ableiten“, hieß es unter anderem. Streeck wehrte sich: „Zwischenergebnisse werden auf Kongressen ständig und auf der ganzen Welt mitgeteilt. Nur dies ermöglicht eine jeweils aktuelle wissenschaftliche Diskussion.“ Zu behaupten, dies sei unwissenschaftlich, stimme schlichtweg nicht, merkte der Forscher an.

Bei Twitter stellte der Berliner Virologe Christian Drosten, einer der zitierten Kritiker, klar, dass er sich zu dem Zwischenergebnis ein Manuskript wünschen würde. Und wenn ein Wissenschaftler um Vorlage eines Manuskripts bitte, sei das kein „Verriss“ oder „Disput“. Drosten schrieb weiter: „Es gibt keinen Vorwurf an die Kollegen, nur eine Nachfrage. Diskurs ermöglicht wissenschaftliche Meinungsbildung. Auch wenn sich manche einen Gelehrtenstreit wünschen.“ (dpa)
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